Die nordrhein-westfälische Piratenpartei will den Verbraucherschutz zu einem weiteren Kernthema machen
Auf ihrem letzten Programmparteitag beschloss die nordrhein-westfälische Piratenpartei, den Verbraucherschutz zu einem neuen Kernthema zu machen. Die Anträge dazu stammen von Simone Brand, der Nummer 5 der Landesliste. Telepolis befragte sie zu ihren Plänen.
Frau Brand, die Piratenpartei hat in Nordrhein-Westfalen auf Ihren Antrag hin beschlossen, dass Verbraucherschutz ein zusätzliches Piraten-Kernthema werden soll. Welche Anträge wollen Sie dazu stellen, falls Sie am 13. Mai in den Landtag gewählt werden?
Simone Brand: Eine ganze Menge! Zunächst möchten wir, dass der Verbraucherschutz in der Landesverfassung verankert wird. Und wir möchten ein eigenes Ministerium für den Verbraucherschutz, da es hier Interessenkonflikte zwischen Erzeugern und Verbrauchern gibt. Des weiteren möchten wir eine Überarbeitung des Verbraucherinformationsgesetztes, da Anfragen von Verbrauchern aktuell nur unzureichend beantwortet werden.
Seit 2001 gibt es auch im Bund ein Verbraucherschutzministerium. Man könnte argumentieren, seitdem hat sich die Situation für Verbraucher nicht unbedingt verbessert.
Simone Brand: Das ist richtig! Der Verbraucherschutz sitzt am Katzentisch und hat das niedrigste Budget. Das angesprochene Verbraucherinformationsgesetz ist in der aktuellen Form eine Farce. Es ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht.
Maßnahmen wie die von Ilse Aigner, ihr Facebook-Profil zu löschen, wirken angesichts der Macht großer Konzerne relativ hilflos. Eher zum Einlenken bewegen könnte man möglicherweise, wenn man Immaterialgüterrechte lockert, sobald sich etwas als Standard etabliert. Etwa, indem man Kompatibilität mit Konkurrenten zulässt. Haben Sie Pläne in diese Richtung?
Simone Brand: Wir haben dazu konkret nichts im Verbraucherschutzprogramm. Letztendlich ist der Boykott der großen Netzwerke sinnlos, da die Daten mehr oder weniger schon alle im Netz sind. Aufklärung zum sparsamen Umgang mit persönlichen Daten und über die eigene Bewegung im Netz schon ab den ersten Schuljahren ist wichtig und nötig. Immaterialgüterrechte im Zeitalter der Digitalisierung sind natürlich aus unserer Sicht zu reformieren und den Begebenheiten anzupassen.
Was wollen Sie unternehmen, dass die „intelligenten Stromzähler“, durch die ständige Preissprünge möglich werden, nicht genauso für Kostenfallen genutzt werden wie dies in den Nuller Jahren beim Telefon der Fall war?
Simone Brand: Hier müssen wir reagieren und auch regulierend eingreifen. Durch diese Stromzähler ist es ja auch möglich, zu erkennen, was wer im TV geschaut hat, damit ist es auch ein Thema des Datenschutzes. Allerdings sind wir generell gegen Überregulierungen. Transparente Darstellung der Kosten soll den Bürgern die Entscheidungen erleichtern.
Simone Brand. Foto: Tobias M. Eckrich. Lizenz: CC BY 3.0.
Aber konkrete Pläne gibt es hierzu noch nicht?
Simone Brand: Wir diskutieren aktuell die Darstellungsformen der Kosten der Stromanbieter. Es gibt ja bereits Angebote im Netz, die jedoch die meisten Verbraucher angesichts der Unübersichtlichkeit der Kosten und Kostenstaffelungen eher abschrecken. Wichtig wäre es, den ärmeren Bürgern Stromersparnis zu ermöglichen, indem ihnen energiesparende Geräte subventioniert und mit der Stromersparnis verrechnet werden. Geringer Stromverbrauch kann dann gerecht belohnt werden – und hoher Verbrauch entsprechend bestraft.
Wie sieht es mit einem Recht für den Kunden aus, dass er im Vertrag eine monatliche Kostenobergrenze festsetzen darf? Bei Telefonverträgen fehlt ja solch ein Recht.
Simone Brand: Die Frage ist, was nach Erreichen der Kostengrenze geschieht? Soll zunächst eine Warn-SMS geschickt werden – oder soll der Strom gleich abgedreht werden? Zumal die Stromabschaltung für eine Familie mit Kindern wesentlich dramatischer wäre, als das Abstellen des Telefons. Ja – bei Telefonverträgen fehlt das Recht, aber man hat bei den meisten Anbietern inzwischen die Möglichkeit, eine Kostengrenze einzurichten. Die Festlegung einer Kostenobergrenze beim Strom könnte höchstens nach einem mehrmonatigen Testen des Bedarfs erfolgen. Aber wichtiger finde ich bei der Problematik die Verfügbarkeit von stromsparenden Geräten für finanziell schwache Haushalte.
Haben Sie vor, auch gegen geplante Obsoleszenz einzuschreiten? Also, das vom Hersteller vorgesehene schnelle Kaputtgehen von Geräten?
Simone Brand: Ja, das ist ein Unding! Auch wenn es fast alle Hersteller bestreiten, ist es offensichtlich gang und gäbe, die Geräte kurz nach Ende der Garantiezeit kaputtgehen zu lassen. Das ist ein falsch verstandenes Ankurbeln der Wirtschaft.
Gibt es Pläne, die Haftung in bestimmten Bereichen auszubauen, in denen der Kunde die Qualität einer Leistung oder eines Produkts nur schwer kontrollieren kann? Etwa bei Zahnbehandlungen?
Simone Brand: Hierzu haben wir noch keine konkreten Pläne. Da wir aber als unser Kernthema die Stärkung der Bürgerrechte und auch die Stärkung der Verbraucher gegenüber den Erzeugern sehen, ist der Haftungsausbau daraus sicher direkt abzuleiten.(Ich muss mich ja bei allem, was wir noch nicht basisdemokratisch als Programmpunkt abgestimmt haben etwas zurückhalten.)
In vielen Fällen hat der Verbraucher zwar auf dem Papier recht, aber er müsste sehr viel Zeit aufwenden und Geld vorstrecken, um das auch durchzusetzen. Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Simone Brand: Wir wollen die Verbraucherzentralen dahin gehend stärken, dass auch sie das Verbandsklagerecht erhalten. So können sie Verbraucher bei z. B. Abzockmaschen flächendeckend besser vertreten, der einzelne Verbraucher muss nicht alleine in jedem Fall tätig werden.
Es gibt zweifelhafte Wirtschaftsakteure, die Kritiker abmahnen und vor das Landgericht Hamburg mit seiner extrem pressefeindlichen Rechtsprechung zerren. Könnte man nicht schon dadurch den Verbraucherschutz erheblich stärken, dass man diesem Missbrauch einen Riegel vorschiebt und z. B. den Abmahntourismus unterbinden?
Simone Brand: Die Kritiker sollten hier auf jeden Fall gestützt werde. Verbraucherschutz heißt für uns Transparenz aufseiten der Erzeuger/Produzenten und maximale Aufklärung beziehungsweise Bildung der Verbraucher. Die Abmahnungsbranche ist insgesamt zu einem blühenden Geschäftsmodell gewachsen – fern aller realistischen Ansprüche der Kläger … und sicher nicht im Sinne eines verbraucherfreundlichen Markts.
Aber Sie sehen auf Landesebene keine Möglichkeit, dagegen einzuschreiten? Immerhin sind die Pressegesetze ja Landesgesetze.
Simone Brand: Man könnte versuchen, den Abmahntourismus dahin gehend zu unterbinden, dass die Fälle in dem jeweiligen Bundesland verhandelt werden müssen, in dem sie vorgefallen sind.
Wie wollen Sie verhindern, dass Konzerne die Piraten so sehr wie andere Politiker bezirzen, damit gesetzliche Ergebnisse in ihrem Sinne gestaltet werden?
Simone Brand: Wir sind entschiedene Lobbyisten-Gegner, wenn diese sich bei der Mitwirkung bei Gesetzen einen Vorteil verschaffen wollen. Lobbyismus grundsätzlich ist ja nichts Negatives – auch Amnesty International und Greenpeace betreiben Lobbyarbeit. Man kann sich nur bezirzen lassen, wenn man auf persönliche Vorteile hofft. Wir Piraten sind alle keine Berufspolitiker und erhoffen uns keine Aufsichtsratsposten nach Beendigung unserer politischen Laufbahn. Dementsprechend entstehen auch keine Abhängigkeiten und Verbindlichkeiten und wir können ehrliche, transparente Politik machen.
Aber einen strafbewehrten Parteibeschluss, dass keine Aufsichtsratsposten angenommen werden, gibt es nicht, oder?
Simone Brand: Nein, den gibt es nicht. Da gehe ich eher von unseren Grundsätzen und von unserer Ehre aus. Das sind auch Überlegungen, mit denen wir uns jetzt noch nicht beschäftigen. Zunächst gilt es erst einmal, in den Landtag einzuziehen und unser Programm und vor allem den Prozess, wie wir Politik machen, einzubringen.
Zum Schluss: Was sind Ihrer Ansicht nach derzeit die drei drängendsten Probleme für Verbraucher?
Simone Brand: Lebensmittelsicherheit, Netzneutralität und die Energieversorgung mit ihren Kosten.
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