Die Piraten wollen zwar weg vom Image der Spaßpartei, die sie im Grunde übrigens nie war —“ aber ihren Sinn für Selbstironie haben sich die Mitglieder bewahrt. Davon zeugen bei der Newcomer-Partei nicht zuletzt einige nur mit einem gewissen Augenzwinkern erklärbare Arbeitsgemeinschaften.
Zum Urgestein zählt die AG Schnittchen [1] der NRW-Piraten. Gegründet in jenen Tagen, als die Landesparteitage noch „Landesmitgliederversammlung“ (LMV) hießen und sich in wesentlich familiärerem Rahmen abspielten als heute, macht sich die Verpflegungs-Abteilung des Landesverbands inzwischen ziemlich rar. Bedauerlich ist diese Entwicklung nicht nur wegen der nun fehlender Mettigel auf den LPTs. Die Schnittchen-Piraten hatten sich quasi nebenher auch der Kunst des Dadaismus verschrieben, wie ihre eigene Wikiseite beweist. Oder kürten auch das Unwort des Jahres [2]. Immerhin: Die Wahl zur „Miss Wiki“ gibt es auf den Landesparteitagen nach wie vor – und die amtierende Miss ist eine twitternde Hündin namens Emmy. Wenn das nicht Dada ist…
Für ein breites politisches Profil macht sich die AG Dicke Piraten [3] stark. Nicht alle Piraten sind übergewichtig, aber auf Parteitagen fällt schon ein leicht erhöhter Anteil ins Auge. Vor der Aufnahme in die AG ist ein schwerwiegender Initiationsritus zu bestehen: Es gilt auf eine Planke zu steigen und diese sichtbar durchzubiegen, während auf ihrem anderen Ende Pirat Hendrik Stiefel das verantwortungsvolle Amt des dicken Referenz-Piraten ausübt. „Er ist das Maß aller Dinge“, erklärt AG-Mitgründer Peter Städter, stellvertretender Vorsitzender der Piraten in Thüringen. „Er verrät aber nicht, was er wiegt.“ Abgehoben hat Hendrik bislang noch bei keinem Neuanwärter.
(Foto: @KompaLaw)
Die Idee für den Arbeitskreis entstand vor zwei Jahren, als sich Städler nach seiner Wahl in den Thüringer Landesvorstand mit einem T-Shirt ablichten ließ, auf dem folgender Spruch zu lesen war: „Vorsicht. Ich bin zu dick zum Wegrennen. Ich kämpfe!“ Und nicht zuletzt als Reaktion auf die „Gender-Debatte“ über Benachteiligung von Frauen und das Verhältnis der Geschlechter. „Auch wir Übergewichtige haben schließlich etliche Probleme, etwa wie wir an passende Kleidung kommen.“ Das ursprüngliche T-Shirt jedenfalls wurde seither zum Renner.
Die AG Reederei NRW [4] stammt keineswegs aus jener grauen Vorzeit, als nautische Metaphern und kitschige Kostüme bei den Piraten noch schick waren. Sie wurde vielmehr erst am 28. März 2011 gegründet, als „Seemansgarn“ bereits bei den meisten Piraten schmerzliche Grimassen hervor rief. Der Name der AG ist denn auch nicht metaphorisch zu verstehen (anders als etwa bei der „Projektgruppe UBoot-Trockendock“, welche die Satzung des Landesverbands weiterentwickeln sollte).
Das mit der Reederei ist vielmehr wörtlich zu nehmen: Ihr Zweck ist der Bau und die Pflege, die Lagerung und die Verwaltung von Wasserfahrzeugen zum Zweck der Parteiwerbung. Die AG hat bereits erfolgreich das Piratenfloß zu Wasser gelassen – und getreu der piratigen copy-and-paste-Grundsätze den Bau aus herkömmlichen Europaletten, Aluprofilen und Kunststoff-Fässern dokumentiert, damit Piraten überall das Gefährt nachbauen können. Als nächste Projekte sind ein Piratenboot sowie das Materiallager „Piratenbucht“ in Planung.
Die AG Single Malt [5] dagegen hat sich – vordergründig – der Verkostung edler Whisky-Sorten verschrieben. Diese Gruppe entstand vor dem ersten Bundesparteitags 2012 in Neumünster. Als die Liste der BuVo-Kandidaten lang und immer länger wurde, ohne dass aber die Qualität derselben entsprechend zunahm, begann man auf den Mailinglisten zu lästern, diese Wahl werde nüchtern wohl kaum zu ertragen sein. Wie das bei Piratens so ist, ergab ein Wort das andere, und so fanden sich die Fans des Edeldestillats im Vorfeld des jüngsten Bundesparteitags in Bochum bereits zum zweiten Mal zur Verkostung zusammen.
Und wo man in solch besinnlicher Runde über das gemeinsame Hobby, die Vorzüge verschiedener Whisky-Gattungen, diskutiert, da kann das Gespräch ungezwungen ins Politische schwappen, ohne zum netzüblichen Shitstorm auszuarten. Auch Piraten, die völlig unterschiedlichen Strömungen anhängen – und das gibt es in der Mitmachpartei gefühlt häufiger als anderswo – schaffen es bei dieser Gelegenheit, selbst über kontroverse Gegenstände friedlich ins Gespräch zu kommen. Inzwischen sind Bestrebungen zur Gründung regionaler Malt-Gruppen im Gang und ein eigens anberaumtes Tasting in Berlin ist in in Planung.
[1] https://wiki.piratenpartei.de/NRW:Arbeitsgruppe/Schnittchen
[2] http://wiki.piratenpartei.de/NRW:Arbeitsgruppe/Schnittchen/Unwort_des_Jahres
[3] https://twitter.com/AGDickePiraten
[4] http://wiki.piratenpartei.de/AG_SingleMalt
[5] http://wiki.piratenpartei.de/NRW:Arbeitsgruppe/Reederei
Guter Artikel nur is Peter nich mehr der Stellvertrettende Vosi bei uns im lieben Thüringen, sonder einfach unglaublich beliebtes Basismitglied 🙂