Mit dem Einzug in vier Landesparlamente im letzten Jahr und der Erweiterung um viele neue Themen in unserem Grundsatzprogramm auf dem vergangenen Bundesparteitag und auf zahlreichen Landesparteitagen liegt ein turbulentes Jahr hinter uns, in dem sich das Gesamtbild der Partei nach innen und aussen stark verändert hat. Die Ablehnung von ACTA im Europaparlament Mitte des Jahres dürfen sich die Piraten sicherlich als Erfolg mit auf die Fahne schreiben. Es bestehen und drohen jedoch viele weitere innen- und netzpolitische Beschneidungen von Bürgerrechten im Internet, die uns allen ein Dorn im Auge sind, da wir uns nicht überwachen oder unter Generalverdacht stellen lassen wollen. Zudem gibt es Beschränkungen und geplante Gesetzesvorhaben, die wir weiterhin aufheben bzw. bekämpfen wollen.
Die Netzneutralität, bezeichnet die wertneutrale Datenübertragung im Internet, d.h. netzneutrale Internetdienstanbieter senden alle Datenpakete unverändert und in gleicher Qualität von und an ihre Kunden und der Inhalt dieser Datenpakete darf nicht beachtet werden. Klingt kompliziert, heisst aber nur, daß zum Beispiel zwischen Datenpaketen aus Telefonanrufen und Filesharing kein Unterschied gemacht werden soll. Leider ist die Netzneutralität in Deutschland noch nicht vorgeschrieben. Dies muss geändert werden.
Die Abkürzung INDECT bedeutet ins Deutsche übersetzt „Intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Überwachung, Suche und Erfassung für die Sicherheit von Bürgern in städtischer Umgebung“ und beschreibt ein Sicherheitssystem, welches 2009 durch die EU gestartet, jedoch bisher vom deutschen BKA abgelehnt wurde. So lange der Name, so weiträumig sind die Eingriffe in fundamentale Bürgerrechte. Wer den Roman „1984“ von George Orwell gelesen hat, kann sich die Auswüchse vorstellen: Videoüberwachung, Überwachungsdrohnen mit Gesichtserkennung, Einbeziehung von Personendaten aus sozialen Netzwerken und von Mobiltelefon-Ortungsdaten sind nur wenige Auszüge dieses umfangreichen Programms, welches von der Piratenpartei komplett abgelehnt wird.
Unter der Vorratsdatenspeicherung versteht man die Speicherung personenbezogener Daten durch oder für öffentliche Stellen, ohne daß die Daten aktuell benötigt werden – also auf Vorrat und z.B. zur nachträglichen Auswertung zur Fahndung nach Straftätern oder „Terroristen“. Sie stellt den Bürger unter Generalverdacht und wird von der Piratenpartei abgelehnt. Freie Kommunikationsnetzwerke werden weltweit immer wieder von Zensurbestrebungen bedroht oder durch Zensur im Netz angegriffen. Dies richtet sich dabei in der Regel gegen die eigene Bevölkerung und gegen die Freiheit der eigenen Bürger. So fand Anfang des Monats eine Konferenz der Internationalen Fernmeldeunion statt, auf der unter anderem diskutiert wurde, ob als internationaler Standard die sogenannte Deep Packet Inspection (Überwachung und Filterung von Datenpaketen) eingeführt werden soll. Ratet mal, wie die Piraten dazu stehen…
Das cleanIT – Projekt, das momentan von der Schweizer Piratenpartei beobachtend begleitet wird, soll auf europäischer Ebene eine „terroristische Nutzung des Internets einschränken“ und die „illegale Nutzung des Internets bekämpfen“. Ein Beispiel gefällig? Die Einbindung nationaler und supranationaler Parlamente ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Dann gibt es zum Thema Urheberrecht noch die neu überarbeitete EU-Richtlinie namens IPRED, eine schärfere Variante von ACTA: ein härteres Vorgehen gegen Webseiten, die urheberrechtlich geschützte Inhalte widerrechtlich verwenden, soll dadurch möglich sein.
Auch wenn wir auf Facebook & Twitter posten und diese Dienste nutzen, so ist dies der großen Popularität dieser sozialen Netze geschuldet und ändert nichts an unserer Kritik an den Datenkraken im Netz. Der Datenschutz und der Umgang mit Userdaten dieser Unternehmen entspricht nicht unseren Vorstellungen, denn es werden private Daten für die Wirtschaft ausgewertet und verkauft. Viele netzpolitisch aktive Mitglieder der Piratenpartei bewerben deshalb Dienste wie z.B. Diaspora, Friendica und Identi.ca und nutzen sie aktiv zur Vernetzung: alles Dienste, die mit offenen und freien Protokollen und Schnittstellen arbeiten und den User sowie den Datenschutz respektieren. Desweiteren plant beispielsweise die Landesregierung von Sachsen-Anhalt aktuell ein neues Polizeigesetz, wonach die Polizei ohne Richterbeschluss die Mobilfunknetze abschalten können soll. Da wir dort noch nicht im Landtag sitzen, können wir nicht dagegen stimmen.
Es gibt also genug zu tun für uns Piraten, und um diese netzpolitischen Themen – auch auf europäischer Ebene – wieder in den Focus der Aufmerksamkeit zu rücken, veranstaltet die Piratenpartei Deutschland heute Abend, am 19. Dezember 2012 um 20 Uhr eine Podiumsdiskussion mit Amelia Andersdotter, der Europaabgeordneten der Piratenpartei Schweden.
Sie wird auf dem virtuellen Diskussionspodium »Mumble « (im Raum der AG Netzpolitik) zu Gast sein und mit Abgeordneten der Piratenpartei und weiteren interessierten Gästen sprechen. Themen der Diskussion werden unter anderem ihre Arbeit im Europäischen Parlament sowie netzpolitische Themen auf EU-Ebene sein.
Die netzpolitischen Sprecher der vier deutschen Landtagsfraktionen werden an der Diskussion teilnehmen: Alexander Morlang (Berlin), Daniel Schwerd (NRW), Dr. Patrick Breyer (Schleswig Holstein), Michael Neyes (Saarland) und Katharina Nocun, Kandidatin für die Landtagswahl in Niedersachsen und Mitglied im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat). Moderiert wird die Veranstaltung von Markus Drenger und Marc „Grumpy“ Olejak. Ihr seid alle Herzlich Willkommen!
Die Veranstaltung wird live unter folgenden Links (streamingfähiger Audioplayer vorausgesetzt):
http://pltzchn.de:8000/mumblestream.mp3.m3u
http://pltzchn.de:8000/mumblestream.ogg.m3u
Wer sich intensiver mit Netzpolitik beschäftigen will, dem sei das Jahrbuch Netzpolitik von netzpolitik.org empfohlen:
https://netzpolitik.org/2012/unser-jahrbuch-netzpolitik-2012-von-a-wie-acta-bis-z-wie-zensur/
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