Von Birgitt Piepgras und Annette Berndt.
Am 11.2.2014 ist ein spannender Tag. Denn an diesem Tag wird aller Voraussicht nach ein Genmais mit der Nummer 1507 zum Anbau in der EU zugelassen, obwohl das eigentlich niemand will.
Wie kann das sein?
DuPont Pioneer, eines der weltweit größten Saatzuchtunternehmen, hatte bereits im Jahr 2001 die Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinie 1507 für den Anbau in der EU beantragt.
Als nächster Schritt wurde 2005 ein Gutachten zur Sicherheitsbewertung erstellt. Aufgrund einer Verschiebung der Entscheidung erfolgte 2008 eine erneute Überprüfung, die das Gutachten aus 2005 bestätigte. 2009 gab es einen Entscheidungsvorschlag, der bei der Abstimmung keine qualifizierte Mehrheit für die Zulassung erhielt. Trotz einer weiteren Überprüfung 2012 ließ die Kommission das Verfahren ruhen und leitete den Entscheidungsvorschlag nicht an den Ministerrat weiter.
Warum der Zulassungsprozess hier zum Stillstand kam, wissen wir nicht. Aber dieses Verbummeln hat Folgen.
Denn nach über 10 Jahren klagte Pioneer Hi-Breed beim Europäische Gerichtshof (EuGH) wegen unbegründeter Verzögerung des Verfahrens. Der gab dem Unternehmen am 26.09.2013 recht und die EU-Kommission erhielt eine Frist, dem EU-Ministerrat einen Vorschlag zur Zulassung zu unterbreiten (S. 3). Das tat die Kommission am 6.11.2013 (S. 4ff.).
Im EU-Ministerrat entscheiden die Regierungen der Mitgliedsländer. Daher befasste sich im Bundestag der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft mit dem Vorgang. Dieser empfiehlt mit der Mehrheit der Regierungskoalition, den Antrag der Grünen mit dem Titel »Keine Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinie 1507 für den Anbau in der EU« abzulehnen. Die Beschlussempfehlung wurde aber nicht dem Plenum des Deutschen Bundestages vorgelegt. Und da die nächste Plenarsitzung erst am 14.2.2014 stattfindet, ist eine Abstimmung im Plenum auch nicht mehr vor der Entscheidung im EU-Ministerrat möglich.
Natürlich wäre dieser Antrag auch im Plenum abgelehnt worden. Aber durch die Nichtvorlage konnte die Opposition ihre Sicht nicht einmal mehr öffentlich darlegen. So geht Demokratie, wenn eine Große Koalition eine 80-Prozent-Mehrheit hat.
TC 1507: So ein Mais…
Die Maissorte TC 1507, die im Antrag der Grünen als ‚Maislinie 1507‘ bezeichnet wird, wurde entwickelt, um die Schadwirkung von Raupen des Maiszünslers und anderer Schmetterlingsarten zu verringern.
Der Hersteller nennt als Schädlinge:
Den Violetten Stengelbohrer Sesamia spp. Die Abkürzung spp. bedeutet „species pluralis“. Es gibt also mehrere, nicht näher aufgeführte Arten, die betroffen sind. Bisher sind knapp 60 Sesamia-Arten bekannt, von denen aber nur zwei in Europa vorkommen.
Den Heerwurm Spodoptera frugiperda, der in Europa überhaupt nicht vorkommt.
Die Ypsilon-Eule Agrotis ipsilon, einen Wanderfalter, der nur in milden Wintern in Europa überleben kann. Bei Frost sterben alle Stadien (Eier, Raupen, Puppen, Falter) ab.
Den Zünsler Diatraea grandiosella, der in Europa ebenfalls nicht vorkommt.
Nur der Maiszünsler Ostrinia nubilalis tritt in Europa als Schädling auf. Die Raupen der Rasse E fressen an vielen verschiedenen Pflanzen, ohne eine Schadwirkung zu entfalten. Nur die Raupen der Rasse Z können Schaden anrichten. Sie bohren sich ein Loch, um in das Innere der Maisstengel zu gelangen, dessen Mark sie fressen. Die Schadwirkung entsteht, weil dieses Loch eine Eintrittspforte für Pilze sein kann. Gravierender ist aber, dass die Maispflanzen durch den Raupenfraß ihre Standfestigkeit verlieren und abknicken können.
Wer sich ein Bild von Maiszünsler machen möchte, findet z. B. in dieser Präsentation eines Saatgutherstellers eine reich bebilderte Einführung.
Wird der Mais gehäckselt und zu Maissilage für Tierfutter oder zur Vergärung in Biogasanlagen verwendet, erfolgt die Ernte zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Raupen so weit oben im Stengel befinden, dass sie im Weiterverarbeitungsprozess unschädlich gemacht werden.
Lediglich bei der Ernte von Körnermais muss man eine zusätzliche Bekämpfung der Raupen durchführen, da diese zum Zeitpunkt der Ernte schon so weit in die unteren Stengelabschnitte gewandert sind, die von den Erntemaschinen nicht mehr erfasst werden. Dann können sie sich verpuppen und nächstes Jahr eine neue Generation Maiszünsler herausbilden.
Um diese Raupen zu bekämpfen, stehen mechanische, chemische und biologische Verfahren zur Verfügung und werden auch genutzt. Insbesondere durch tiefen Schnitt des Maisstengels, die Stoppelzerkleinerung nach der Ernte und Unterpflügen kann man die Verbreitung in den Griff bekommen. Bei akutem Befall gibt es z. B. die Möglichkeit, natürliche Feinde wie die Trichogramma auszusetzen – eine Schlupfwespe, die ihre Eier in Zünslerlarven ablegt. Sogar eine großflächige Verteilung aus dem Flugzeug heraus zeigte positive Effekte. Als Spritzmittel sind verschiedene chemische und biologische Wirkstoffe zugelassen, etwa Präparate aus Bacillus thuringiensis (Bt), die auch im biologischen Anbau eingesetzt werden dürfen.
Gewöhnungseffekte
Wer solche Bt-Präparate als Spritzmittel einsetzt, tut es nur dann, wenn zuvor sehr viele Maiszünsler-Eier gefunden wurden, also nur nach Bedarf und nur kurz, nämlich in dem Zeitfenster zwischen Schlupf der Larven bis zum Hineinbohren in den Stengel. Wer aber durch den Anbau von Bt-Mais dauerhaft dem Maiszünsler und anderen Insekten diesen Wirkstoff anbietet, der erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass einige Exemplare darauf nicht mehr reagieren. Gegenüber so resistent gewordenen Arten wird der Bt-Wikstoff unwirksam – egal, ob er in der ganzen Pflanze vorhanden ist oder nur kurzfristig ausgesprüht wird.
Deswegen hat die EU-Kommission ihren Vorschlag zur Zulassung der Genmaissorte TC 1507 um Auflagen erweitert, die eine Resistenzbildung verringern sollen. Bestimmte Flächenanteile sollen daher mit Nicht-Bt-Mais bepflanzt werden, um die Resistenzbildung „auszudünnen“. Es wird empfohlen, dass DuPont Pioneer selbst überwacht, ob sich gegenüber ihrer Maissorte resistente Zünsler herausbilden. Nicht geklärt wurde dabei, ob die Auflagen ausreichen, um eine Resistenzbildung zu verhindern, wer die Einhaltung dieser Auflagen kontrolliert, wer die Suche nach resistenten Zünslern bezahlt und wer für unvorhergesehene Schäden – etwa unerwünschte Fremdbestäubung – haftet.
Wir fassen das mal zusammen
Pioneer/Dow AgroScience hat also eine Maissorte entwickelt, die nach eigenen Angaben giftig für die Raupen von mehr als 60 Schmetterlingsarten ist. Sie soll in der EU zugelassen werden, obwohl dort nur eine einzige Art, der Maiszünsler der Rasse Z, als ernstzunehmender Schädling auftritt. Genau für diese Art gibt es jedoch andere, effektive Möglichkeiten der Bekämpfung.
Die Maissorte MON 810 von Monsanto, die ebenfalls resistent gegen den Maiszünsler ist, wurde in der EU bereits zugelassen. In Deutschland herrscht jedoch ein Anbauverbot, da die Bundesregierung MON 810 als »Gefahr für die Umwelt« eingestuft hat. Die Argumente gegen MON 810 gelten genauso für TC 1507.
Bei der Abstimmung im EU-Ministerrat ist für die Zulassung von TC 1507 eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Das heißt, dass die Stimme der Bundesregierung dort alleine über 8 Prozent am Ergebnis ausmacht. Und es sieht ganz so aus, dass diese 8 Prozent das Zünglein an der Waage sein werden.
Deswegen darf sich die Bundesregierung bei der Abstimmung im EU-Ministerrat am 11.2.2014 nicht enthalten, sondern muss sich aktiv gegen die Zulassung von TC 1507 einsetzen!
Der Koalitionsvertrag sagt zu Grüner Gentechnik: »Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an. […] An der Nulltoleranz gegenüber nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Bestandteilen in Lebensmitteln halten wir fest – ebenso wie an der Saatgutreinheit.« Eine Enthaltung bei der Abstimmung im EU-Ministerrat würde diese vollmundige Aussage als Lachnummer entlarven
»Wir bekennen uns zu einer Landwirtschaft, die langfristig die natürlichen Ressourcen schont. Saatgut, ob gentechnisch oder konventionell resistent gegen Pflanzenschutzmittel gezüchtet, kann durch Auskreuzung in bestehende Ökosysteme eine besondere Gefährdung der Umwelt darstellen. Resistent gezüchtete Pflanzen funktionieren in der Landwirtschaft nur durch den gleichzeitigen Einsatz von speziell darauf abgestimmten Pflanzenschutzmitteln. Hierdurch wird die Landwirtschaft gezwungen, spezifische Mittel bestimmter Hersteller zum Einsatz zu bringen. Dieser Produktionszwang führt die Landwirtschaft in die direkte Abhängigkeit von den Rechteinhabern an Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Eine Kombination von Saatgut mit Pflanzenschutzmitteln und deren Schutz durch Patente lehnen wir ab.« Europawahlprogramm der Piratenpartei
Wenn Du bei landwirtschaftlichen Themen mitarbeiten möchtest, kannst Du uns in einer Sitzung der AG Landwirtschaft besuchen – egal ob Du selbst Pirat bist oder nicht. Die Sitzungen finden an jedem 08. und 20. eines Monats um 20:30 Uhr im Mumble NRW statt. Bitte informiere Dich auf der Homepage der AG über die Details.
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