Gastbeitrag von Melanie Kalkowski, Steuerexpertin und Sprecherin des AK Wirtschaft und Finanzen der Piratenpartei NRW
Ihr Sünderlein kommet…
…oh, kommet doch all. Ja, alle Jahre wieder “plöppt” das Thema Steuerhinterziehung in Deutschland auf. Alle Jahre wieder – denn so wirklich geändert hat sich an dem sonst so unsteten Deutschen Steuerrecht im Bereich der strafbefreienden Selbstanzeige in den letzten Jahren kaum etwas. Wen wundert es da noch wirklich, dass nichts bleibt außer der heißen Luft, die nach so einer Empörungswelle emporsteigt.
AZ 68 Js 3284/13 so lautet das Aktenzeichen im Steuerprozess von Uli Hoeneß, der heute beginnt. Er ist wahrlich nicht der erste und wird sicherlich auch nicht der letzte Prozess dieser Art sein.
In der Presse wird überwiegend von Steuersündern gesprochen – glücklicherweise nicht ganz ohne Einspruch. Der Ausdruck „Sünder“ wirkt verharmlosend: schließlich geht es um Steuerhinterzieher oder Steuerbetrüger.
Das Wort „Steuersünder“ wirkt nicht abschreckend. Vielmehr wird mit dieser Ausdrucksweise ein reuiges Verhalten assoziiert – jemand, der Buße tut. Und das ist meines Erachtens auch bewusst so gewollt: Schließlich sollen „Steuersünder“ sich dem Fiskus offenbaren und ihre „Schuld“ mit Zins und Zinseszins und einer ausgehandelten Strafe nachzahlen.
Das Ganze klingt nicht nur sprachlich wie ein mittelalterlicher Ablasshandel, sondern die strafbefreiende Selbstanzeige ist de facto nichts anderes. Da stellt sich die Frage, warum es in Deutschland eine solche Möglichkeit im Steuerstrafrecht gibt?
Denn reuige „Steuersünder“ haben in Deutschland eine Möglichkeit, die allen anderen Straftätern verwehrt ist: Sie können sich durch Selbstanzeige ihrem Richter entziehen. Die Bedingungen, unter denen das möglich ist, sind zwar 2011 verschärft worden: Das kann aber nur der erste Schritt sein auf dem Weg zu einem finalen Ausstieg aus der Selbstanzeige.
Die strafbefreiende Wirkung ist wie eine Art Fremdkörper im deutschen Strafrecht. Ein Betrüger oder ein Dieb, der jemanden um denselben Betrag erleichtert wie der Steuerhinterzieher den Staat – und damit letztlich uns allen Geld raubt – , wird nicht von der Strafe befreit, wenn er sich anzeigt und das Geld zurückgibt. „Tätige Reue“ kann zwar vom Richter in einigen Fällen strafmildernd berücksichtigt werden oder bei kleineren Vergehen zum Absehen von Strafe führen. Die „reparatio damni“, die Wiedergutmachung des Schadens, beseitigt im übrigen Strafrecht aber nie rückwirkend die eingetretene Strafbarkeit.
Für die Selbstanzeige werden gerne rein fiskalische und ethische Gründe vorgebracht. Beide überzeugen mich nicht. Die fiskalische Argumentation geht dabei so: Die Möglichkeit zur Selbstanzeige erschließt dem Staat bisher verheimlichte Steuerquellen. Er stellt den staatlichen Strafanspruch hinter das fiskalische Interesse zurück. Die ethische Begründung setzt anders an: Die „tätige Reue“ eines Steuerhinterziehers soll schließlich belohnt werden. Sozusagen eine moralische Handreichung zur Steuerehrlichkeit.
Die fiskalische Begründung war wohl die ursprüngliche, als die Regelung im 19. Jahrhundert entstand. Die eigene Unzulänglichkeit des Staates, dass er selbst nicht in der Lage ist, Steuerhinterziehung ausreichend aufzudecken, führte zu dieser Norm. Man glaubte, je glimpflicher Steuerhinterzieher davonkommen, die sich melden, desto mehr würden das tun – und desto höhere Einnahmen der Staatskasse zufließen. Eine solche Durchbrechung strafrechtlicher Grundsätze aus fiskalischen Gründen ist aber in meinen Augen mehr als fragwürdig.
26 000 Selbstanzeigen aus dem Jahr 2010 sollen zwei Milliarden Euro gebracht haben. “Wir brauchen volle Kassen, nicht volle Gefängnisse”, sagte etwa populistisch Carsten Kühl, Finanzminister von Rheinland-Pfalz (SPD). Immer wieder wird argumentiert, dass es besser sei, einen Teil der hinterzogenen Steuern durch eine Selbstanzeige zu vereinnahmen als gar nichts von den hinterzogenen Steuern zu erhalten. Na, wie voll wären die Kassen erst, wenn alle Steuerpflichtigen ihre Steuern auch rechtmäßig zahlen?
In der Praxis sieht es doch so aus: Wenn ein pfiffiger Berater mitbekommt, dass es für seinen Mandanten ermittlungstechnisch eng wird (und ich gehe jetzt an dieser Stelle mal absichtlich nicht darauf ein, wie ein Berater das mitbekommen könnte) oder sich zum Beispiel die Familienverhältnisse eines Mandanten ändern und dieser plötzlich Angst bekommen muss, dass verschmähte Liebhaber oder Ex-Partner aus Rache Anzeige beim Finanzamt erstatten könnten- in solchen und ähnlichen Fällen scheint die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige eine erleichternde Lösung zu bieten.
Festzuhalten bleibt aber doch, dass ein Steuerhinterzieher sich ausschließlich dann anzeigt, wenn er sowieso damit rechnet, bald entdeckt zu werden. In diesen Fällen aber käme der Staat so oder so früher oder später an sein Geld. Es kann nicht wirklich davon ausgegangen werden, dass der Staat durch das Institut der Selbstanzeige tatsächlich fiskalische Vorteile hat. Zumal die Abschreckungswirkung der angedrohten Strafen abnimmt, wenn Steuerhinterzieher schon vor der Tat mit einer Strafbefreiung für den Notfall planen können. Womöglich ermutigt damit gerade die Möglichkeit der Selbstanzeige sogar erst zur Steuerhinterziehung – und trägt erst recht dazu bei, dass dem Staat Einnahmen entgehen.
Rein argumentativ spricht kein einziges Sachargument dagegen, die strafbefreiende Selbstanzeige final auslaufen zu lassen. So erhält jeder „Steuersünder“ die Möglichkeit, ein letztes Mal mit seiner Beichte am modernen Ablasshandel des Deutschen Steuerrechts teilzunehmen.
Dazu kommt, dass es in keinem anderen Rechtsgebiet eine derartige Begünstigung des eigentlich zu Bestrafenden gibt. Und so muss endlich die Zeit des Mittelalters beendet werden: Steuerhinterziehung ist eine Straftat und muss auch als solche behandelt und tituliert werden. Mit einer Scheindebatte über mögliche Bagatellgrenzen oder Schwellenwerte im Bereich der Selbstanzeige haben unsere Mitglieder des Bundestages auch nur einen reinen Nebenkriegsschauplatz zur Ablenkung eröffnet.
Reformvorstellungen von Bund und Länder sind, Verjährungsfristen zu verlängern und den Strafzuschlag zu erhöhen. Abschaffen der Selbstanzeige heißt meines Erachtens hier die Lösung. Denn ich bin davon überzeugt: Ein konsequenter strafrechtlicher Flankenschutz ohne die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige führt letztlich zu mehr Steuergerechtigkeit- und zu volleren Kassen.
Autorin:
Melanie Kalkowski
Alter: 35 Jahre
Beruf: Finanzbeamtin
Funktion: Sprecherin des AK Wirtschaft und Finanzen der Piratenpartei NRW
Mitglied seit: November 2011
Blog: www.melanie-kalkowski.de
Leider sind die nötigen Schritte Steuerhinterziehung derart zu erschweren, das eine Aufdeckung sehr wahrscheinlich wird noch viel beschissener als die Strafbefreiung bei Selbstanzeige. Man muss dann alle Geldströme überwachen. Und das wird nicht so ganz ohne Kommunikationsüberwachung gehen. Immerhin muss man legale von illegalen Geldtransfers unterscheiden.
Also heist es für uns doch: Überwachung oder Strafbefreiung. Man kann nicht mal Ausnahmen für Privatleute einführen, da vieles was wir privat bezahlen auf der anderen Seite des Geschäfts steuerlich relevant ist. Selbst wenn ich beim Nachbar ein bischen Gemüse kaufe, müsste er rein rechtlich dies steuerlich angeben. Hier verlässt er sich aber auf den Umstand das sowas nie und nimmer nachweisbar ist. Es sei den ich haue ihn wegen 5 Euro in die Pfanne. Er hat dann eine Strafe und ich muss neben dem Menschen leben den ich verarscht habe.
Ich wüsste jedenfalls keine Möglichkeit Steuersünder aufzudecken ohne dabei große Kollateralschäden zu erzeugen.