Mehr denn je!

Ein Gastbeitrag von @CptLeto.

Die Uno rief ihm Jahr 1966 den „Internationalen Tag gegen Rassismus“ aus. Muss man heute noch darüber reden – 48 Jahre später?

Mehr denn je!

Das zeigt allein der NSU-Prozess, der gestern in den 96. Verhandlungstag ging.

Rechtsextremismus und Rechtspopulismus

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit existieren nicht nur im selbsternannten »Nationalsozialistischen Untergrund« sondern reichen weit in die »Mitte der Gesellschaft«. Ein Ventil finden sie seit geraumer Zeit vor allem im Feld der Flüchtlings- und Einwanderungspolititk.

Für die ersten beiden Monate dieses Jahres zählt die Amadeu Antonio Stiftung bereits 21 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte – darunter neben Stein- und Böllerwürfen auch 13 Brandanschläge. Darüber hinaus registrierte sie sieben Körperverletzungen, elf Propagandadelikte, neun rassistische Beleidigungen und 24 flüchtlingsfeindliche Kundgebungen oder Demonstrationen – oft direkt vor Unterkünften.

Tätliche Übergriffe und offen rassistische (oder beispielsweise gegen Roma gerichtete) Hetze gehen fließend in Populismus über. Auf der Straße demonstrieren Neonazis Seite an Seite mit »besorgten Bürgern« gegen »Asylmissbrauch«. Und mitunter nutzen Politiker neuer rechtslastiger und sogar etablierter Parteien die gleichen Sprachbilder.

Erst letzten Monat rügte der Europarat die mediale Verbreitung des Begriffs der »Armutsmigration«. Die AfD zog im September mit dem Slogan »Wir sind nicht das Weltsozialamt« in den Bundestagswahlkampf, und sogar die Regierungsparteien verkündeten im Koalitionsvertrag, »Anreize für Migration in die sozialen Sicherungssysteme« verringern zu wollen. Dort heißt es unter anderem: »Wir wollen die Akzeptanz für die Freizügigkeit in der EU erhalten. Wir werden deshalb der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger entgegenwirken.« So wird unter der Hand eine Sichtweise etabliert, die Fremden misstrauisch begegnet, sie als potenzielle Betrüger darstellt und eine wirtschaftliche Belastung herbeiredet. Und was auf dem Papier beginnt, findet seinen Niederschlag in Protesten »besorgter Bürger« vor sogenannten »Problemhäusern« in sozialen Brennpunkten.

Gesellschaftlicher oder »struktureller« Rassismus

Nicht nur Asylsuchende und die – zahlenmäßig überschaubaren – Opfer rechtsextremer Straftaten sind rassistischer Diskriminierung ausgesetzt. Rassistische Diskriminierung gehört zum Alltag vieler Menschen, die von anderen anhand ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Gesichtszüge, ihrer Religion oder ihres Namens als »Fremde« klassifiziert und mit Vorurteilen belegt werden.

Behördlicher Rassismus

Nach der Aufdeckung des »Nationalsozialistischen Untergrund« kam auch ans Licht, wie hartnäckig die Polizei (Soko „Bosporus“) an Theorien über kriminelle Verstrickungen der Opfer festhielt und wie sehr die Anschuldigungen das Leben der Angehörigen noch weiter verschlimmerten.

Routinemäßige Diskriminierung durch die Polizei findet heute täglich statt. Es ist heißt »Racial Profiling« und es ist gesetzwidrig: Im vollen Zugabteil wird nur der »ausländisch aussehende« Fahrgast gebeten, sich auszuweisen – immerhin könnte es sich bei ihm um einen illegal Eingereisten handeln. Die Mitreisenden schauen zu – die einen verhohlen, die anderen offen neugierig. Und alle fragen sich: »Weswegen wird der wohl kontrolliert? Was mag der angestellt haben?« Ein unausgesprochener Verdacht steht im Raum. Zu Kritik am ebenso erniedrigenden wie ungesetzlichen Verhalten der kontrollierenden Beamten kommt es meist nicht. Dabei wäre gerade jetzt Zivilcourage gefragt!
Wie sich so eine Ausgrenzung aus dem Kreis der »normalen Deutschen« anfühlt, beschreiben Betroffene eindrücklich.

Rassismus im Alltag

Im Alltag kann rassistische Diskriminierung bedeuten, dass Wohnungen oder Jobs angeblich »gerade vergeben« sind oder Bewerbern ins Gesicht gesagt wird, dass »solche wie du« nicht genommen werden. Oder dass Betroffene vom Türsteher nicht in die Diskothek gelassen werden – schlimmstenfalls von keinem in ihrer Stadt. Oder sogar, dass Gaststättenbetreiber gegenüber der Boulevardpresse offen erklären, Schwarze hätten bei ihnen keinen Zutritt. Oder dass eine Postmitarbeiterin ein Paket nicht herausgibt, wie jüngst der WDR berichtete.

Rassismus trifft Menschen auch dort, wo er »nicht böse gemeint« ist. Unter dem Hashtag #SchauHin twitterten Betroffene vor einer Weile – nach dem Vorbild von #Aufschrei – was ihnen täglich widerfährt. Die Beispiele zeigen, dass es nicht nur um absichtliche Beleidigungen und Benachteiligungen geht. Ebenso verletzend können Vorurteile oder Stereotypen sein. Sätze wie »Wo kommst du eigentlich wirklich her?« oder »Du sprichst aber gut Deutsch!« kennen Deutsche, die keine helle Haut oder keinen traditionellen deutschen Namen haben, oft nur zu gut. Ohne böse gemeint zu sein verletzen sie – weil die Fragenden den Betroffenen ganz selbstverständlich als Fremden ansehen und anreden.

Unverständlich ist für Betroffene auch, wie vehement »ganz normale Menschen« rassistische Begriffe und Angewohnheiten bisweilen verteidigen und wie aggressiv sie reagieren, wenn man ihnen den unterschwelligen Rassismus vor Augen führt. Etwa, wenn es darum geht, das »N-Wort« als Bezeichnung für Schwarze Menschen aus Kinderbüchern zu entfernen. Oder wenn Markus Lanz in »Wetten, dass…?« dazu aufruft, sich »mit Schuhcreme, Kohle oder was passt« einzureiben, um einen Schwarzen Jungen darzustellen und Betroffene das kritisieren.

Menschen, die sich gegen entwürdigende Klischees zur Wehr setzen, haben noch immer zu kämpfen: Mit Feindseligkeit – die in jeder Kommentarspalte zu besichtigen ist –, mit Zensurvorwürfen und Ignoranz – etwa, wenn das ZDF nicht auf die Kritik von Selbstorganisationen reagiert.

Was tun?

  • Misch dich ein, wenn du Zeuge rassistischen Verhaltens wirst.
  • #SchauHin und nimm Menschen ernst, wenn sie von Diskriminierungserfahrungen sprechen.
  • Setz dich sachlich mit dem Standpunkt Betroffener auseinander.
  • Beschwer dich beim Presserat oder den Rundfunkräten, wenn dir Rassismus in den Medien begegnet.

Die Piraten haben eine dazu, wie man mit Flüchtlingen und Asylsuchenden umgehen sollte. Helft uns dabei, diese Sicht auch im Europäischen Parlament zu vertreten!

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