Eröffnungsstatement von Jens Ballerstädt bei der Podiumsdiskussion am 24.03.2014
Die Frage nach der Überwachung und wie nah wir eigentlich George Orwell bereits gekommen sind wir uns seit den Enthüllungen von Edward Snowden immer wieder gestellt. Bereits seit Jahren warnen wir Piraten davor was alles möglich ist und wie weit diese Gesellschaft schon überwacht wird.
Ich muss allerdings zugeben, dass das bereits vorhandene Ausmaß unsere Erwartungen übertroffen hat.
Das Netz bietet uns allen Möglichkeiten die sich die Menschen vor 30 Jahren noch nicht erträumen konnten. Das erste Mal ist es möglich unabhängig von Grenzen politischer, geografischer und sozialer Art weltweit miteinander zu kommunizieren und andere Menschen und Kulturen kennen zu lernen.
Allerdings haben nicht nur wir die Möglichkeiten des Netzes erkannt, sondern auch die Regierungen. Durch eine weltweite Vernetzung ist es nämlich auch möglich geworden eben diese lückenlos zu überwachen.
Es ist in jeder Sekunde möglich von praktisch jedem Menschen zu sagen wann er wo ist, mit wem er redet, wie lange, wie oft und worüber. Durch unser Einkaufsverhalten werden unsere Interessen und Vorlieben gescreent. Die Webcam an unseren Handys, Tabletts oder Laptops lassen zu, dass man uns ohne unser Wissen beobachtet. Bei der Arbeit, beim Fernsehen, unter der Dusche oder im Bett. Unser Schlaf-Wachrhythmus ist bekannt. Unsere Urlaubsziele oder auch nur die Ziele zu denen wir gerne mal reisen würden. Schon bevor wir auf Enter drücken hat Google unsere Sucheingabe gespeichert, mit der IP in Verbindung gebracht und einen weiteren Baustein unserem Persönlichkeitsprofil hinzugefügt.
Über gigantische Viren-Botnetzwerke ist es bereits jetzt möglich unsere Infrastruktur jederzeit und vom eigenen Wohnzimmer aus anzugreifen. Der STUX-NET Virus und das Zerstören der Uranzentrifugen im Iran haben deutlich gemacht vor welchen umwälzenden Änderungen unsere Gesellschaft steht.
Gleichzeit ist es doch sehr beeindruckend zu sehen wie scheinbar gleichgültig die Masse der Bevölkerung diesen Problemen gegenüber steht. Wenn man bedenkt welchen Proteststurm die große Volkszählung noch 1987 ausgelöst hat und das die gleiche Zählung 2011 vollkommen widerstandslos hingenommen wurde sieht man wie sich die Gesellschaft verändert hat.
Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass die Menschen heute eh alles auf Facebook und Twitter hinaus posaunen. Wie kann man sich da beschweren, dass der Staat mitliest? Ich kann das wirklich nicht nachvollziehen. Es ist doch ein ziemlicher unterschied, ob ich jemandem ein Buch schenke, oder ob er es sich einfach aus meinem Regal nimmt.
Im Prinzip sind die Menschen wie ein Frosch.
Wenn man einen Frosch in heißes Wasser wirft, wird er wieder herausspringen. Der Schock ist so groß, dass er sofort um sein Überleben kämpfen wird. Legt man ihn aber in kaltes Wasser und erhöht langsam die Temperatur, wird er sitzen bleiben bis er gekocht ist.
Über die letzten Jahre wurde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung immer weiter ausgehöhlt. Stück für Stück wurden den Bürgern immer mehr Rechte genommen. Noch vor 100 Jahren stand auf das lesen fremder Korrespondenz schwere Strafen. Heute erscheint uns das fast normal.
Meiner Meinung nach wäre das einzige was uns aus diesem Zustand retten könnte, dass die Regierungen den Wert der Privatsphäre endlich wieder anerkennen. Analog zu den atomaren Abrüstungsabkommen muss es auch eine Art Überwachungsabrüstung geben und harte Sanktionen gegen Staaten, oder Organisationen die dagegen verstoßen. Alles Andere lässt Dystopien wie von George Orwell sind bald als Idyll der Freiheit erscheinen.
Podcast mit Jens zum Nachgang der Podiumsdiskussion im Krähennest.
Politischer Geschäftsführer Piraten NRW
Mitglied des umweltpolitischen Arbeitskreises der Piratenpartei NRW
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