Gastbeitrag von Thomas Weijers, Experte für Gesundheitspolitik der PIRATEN NRW
Am 13. September 2014 wollen professionell Pflegende in Düsseldorf vor dem Landtag NRW demonstrieren. Aber warum?
Zu Streiken und zu Demonstrieren ist in unserem gesellschaftlichen Selbstverständnis ein normaler Weg sich als Interessengruppe oder Berufsstand Gehör zu verschaffen. Kennen wir doch alle die großen Streiks von Verdi, wenn unser Müll nicht abgeholt wird oder die Busse nicht fahren, die Streiks der Metallbauer und Chemikanten, wenn tausende Kolleginnen und Kollegen auf den Straßen die Fahnen schwenken.
Wann aber haben wir schon einmal Pflegende, also Altenpflegerinnen und Pfleger, Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger, als auch Mitglieder der zahlreichen Hilfsqualifizierungen in diesem Bereich auf der Straße gesehen?
Eher selten, denn nur die wenigen Privilegierten, die einen Vertrag mit einem kommunalen Arbeitgeber oder – im Fall von Universitätskliniken – mit einem Bundesland als Dienstherr haben, kennen überhaupt das Recht zu streiken.
Die deutsche Pflege, gleich der größte Berufsstand, ist so unpolitisch wie kein anderer. Dies erklärt sich nicht nur im Westen Deutschlands durch die schon lange bestehende Dominanz der Kirchen als Träger von Krankenhäusern, Altenpflegeheimen und ambulanten Pflegediensten. Hier hat sich die Philosophie des Dienens und Sich Aufopferns mit dem kirchlichen Arbeitsrecht eng verbunden, welches zum Beispiel das Streikrecht verweigert. So wurde dieser Berufsstand bis heute zum Inbegriff des Opferlamms.
Man darf zu Facebook, Twitter und Co. eine geteilte und auch ablehnende Meinung einnehmen, doch aus diesen Kanälen heraus entwickelt sich ein bisher nicht bekanntes politisches Selbstbewusstsein der Pflegenden. So zum Beispiel die Bewegung „Pflege am Boden“ – sie etablierte sich von dort nach und nach in immer mehr Städten in Deutschland. Dabei legten sich Pflegende in die Fußgängerzonen, um als Mahnwache auf die schlechten Arbeitsbedingungen und die Gefährdung der Patienten aufmerksam zu machen. Aus dieser zunächst kleinen Bewegung hat sich eine bisher unbekannte Politisierung der Pflegeberufe entwickelt.
Zahlreiche Studien belegen den schlechten Zustand, in dem sich die professionelle Pflege befindet, doch getan wird dagegen wenig. Durch Personalabbau sind in mehr als 15 Jahren ca. 50.000 Arbeitsplätze für examinierte Pflegekräfte weggefallen. Alleine in den letzten zehn Jahren waren dies rund 12.000 Stellen. Studien wie die NEXT-Studie und die RN4Cast Studie, belegen den schlechten Zustand der deutschen Pflegebranche: die Überlastung, den schlechten Ausbildungsstand, aber auch die schlechte Versorgung der Patienten. In kaum einem anderen Land müssen Pflegekräfte mehr Patienten alleine versorgen als in Deutschland. Die bisherigen Landes- wie auch Bundesregierungen haben es verpasst, professionelle examinierte Pflege zu fördern, und haben sie stattdessen dem Profitstreben großer Akteure am Gesundheitsmarkt zum Fraß vorgeworfen.
Man glaubte der Personalflucht aus der Pflege damit begegnen zu können, examiniertes Pflegepersonal aus Asien und Südeuropa anzuwerben. Die Erfahrung aber zeigte, dass diese oft mit Studienabschlüssen qualifizierten Krankenschwestern und Pfleger das Pflegenotstandsgebiet Deutschland schnell wieder verlassen haben. Wen wundert es, bei den hier vorherrschenden Bedingungen?
Nun also stehen wir auf unseren Beinen und demonstrieren, legen uns auf den Boden, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Unsere Forderungen sind einfach: gesetzliche Mindestpersonalschlüssel, eine gerechte Bezahlung, rechtliche Sicherheit, faire Arbeitszeiten, gleiches Arbeitsrecht für Alle. Dies sind einfache Forderungen, die sich im Detail noch erweitern lassen.
Ich werde dort sein, an diesem 13. September 2014 in Düsseldorf, um am ersten landesweiten Aktionstag „Pflege am Boden“ mit meinen Kolleginnen und Kollegen zusammen ein weiteres Zeichen zu setzen. Wir rufen aber auch alle anderen Menschen auf, uns zu unterstützen! Denn eins ist sicher: jeder von Euch wird einmal von uns gepflegt, ob im Krankenhaus, Altenheim oder Zuhause. Auch eine private Versicherung wird Euch nicht vor den Fehlern schützen, die wir machen, wenn wir wieder 10-15 Patienten am Stück versorgt haben und nun die Tabletten verwechseln. Gute Pflege für die Zukunft wieder zu ermöglichen muss also im Interesse von uns Allen liegen.
Thomas Weijers
Gesundheits- und Krankenpfleger
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