Monika Pieper im Interview
Monika Pieper ist seit 2012 Abgeordnete im Landtag NRW. Damals waren wir Piraten auf Erfolgskurs. Im Interview haben wir sie -gut zwei Jahre später- nach ihrem Alltag im Landtag, den Höhen und Tiefen, den Erfolgen und Wünschen und Plänen gefragt und sehr persönliche Antworten bekommen.
Christiane vom Schloß: Im Jahr 2012 bekamen wir Piraten 7,8 Prozent in NRW und haben uns riesig über den Einzug in den Landtag gefreut. Mit welchen Gefühlen hast du das erste Mal den Landtag betreten?
Monika Pieper:
Das waren sehr gemischte Gefühle. Zum einen natürlich ein Hochgefühl, dass wir es geschafft hatten. Zum anderen aber auch Unsicherheit. Keiner wusste so genau, was jetzt auf uns zukommt. Das zeigte sich unter anderem auch in den endlosen Klein-Klein-Diskussionen der ersten Fraktionssitzungen. Aus heutiger Sicht hätten wir ganz andere Dinge vorrangig in Angriff nehmen müssen.
Christiane vom Schloß: Wie reagierten und reagieren die anderen Politiker auf die PIRATEN? Klappt in NRW die Zusammenarbeit mit anderen Parteien zugunsten unserer politischen Ziele?
Monika Pieper:
Die anderen Fraktionen sind uns zunächst mit verhaltener Neugier gegenübergetreten. Mein Eindruck ist, dass sich die Zusammenarbeit im Landtag unterschiedlich entwickelt hat und sowohl vom Ausschuss als auch von den Ausschussmitgliedern abhängt. Generell ist es natürlich in den Ausschüssen etwas einfacher, in denen man inhaltlich nicht so weit von einander entfernt ist. Für den Schulausschuss kann ich sagen, dass die Zusammenarbeit grundsätzlich konstruktiv ist und man in einzelnen Fällen auch gemeinsam nach Lösungen sucht.
Christiane vom Schloß: Welche Erfolge deiner bisherigen Amtszeit als Abgeordnete sind dir besonders im Gedächtnis geblieben?
Monika Pieper:
Das hängt im Wesentlichen davon ab, wie man Erfolg definiert. Wenn man nach erfolgreichen Anträgen schaut, so haben wir einen Haushaltsänderungsantrag zum Ausbau der Plattform „learn:line“ durchbekommen, jetzt wird unser Antrag zum Nachteilsausgleich wohl positiv abgestimmt.
Die mir wichtigeren Erfolge sind aber andere. Nachdem mir zu Beginn die Verbändevertreter, Personalräte und andere „Bildungsmenschen“ eher misstrauisch gegenüberstanden, bin ich für die meisten inzwischen eine relevante Ansprechpartnerin. Es gibt fast ausschließlich positive Resonanz. Das zeigt, meine Arbeit wird geschätzt und wir werden ernst genommen. Das war ein hartes Stück Arbeit und hat lange gedauert. Ich bin überzeugt, an der Stelle haben wir inzwischen sehr viel Sympathien gewonnen. Es passiert häufiger, dass ich gesagt bekomme, man wünscht sich, dass wir 2017 weiter im Landtag vertreten sind. Das sind Erfolge, die zwar nicht so offensichtlich sind, für unsere Partei aber wichtiger als ein positiv abgestimmter Antrag.
Christiane vom Schloß: Gab es Momente, in denen du dir gewünscht hast, einfach wieder Sonderschulpädagogin zu sein?
Monika Pieper:
Ja, ganz sicher. Ich habe Ende 2013 ernsthaft darüber nachgedacht, mein Mandat niederzulegen, weil ich einfach keine Kraft mehr hatte und mir die Arbeit in der Fraktion keinen Sinn mehr zu machen schien. Ich habe ein gutes halbes Jahr gebraucht, um mir so viel Distanz zu erarbeiten, dass ich wieder mit voller Kraft konstruktiv arbeiten konnte. Letzten Sommer, als die Frage der Vizepräsidentschaft aufkam, habe ich mir noch mal intensiv Gedanken über meine Arbeit und vor allem meinen Anspruch an mich selber gemacht. Ich habe für mich den Entschluss gefasst, nicht aufzugeben und bis 2017 dabei zu bleiben, egal was passiert, und mein Handeln weiterhin der Frage „Nutzt das der Fraktion?“ zu unterwerfen. Aber es gibt natürlich auch jetzt immer mal wieder Momente, wenn es kracht, in denen ich denke: „Schule war auch schön“. 😉
Christiane vom Schloß: Du hast selbst zwei Kinder. Beruf und Familie ist ein Thema, das vielen Frauen Kopfzerbrechen bereitet.
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Monika Pieper:
Ich habe immer Vollzeit gearbeitet und meine Familie kennt das nicht anders. Meine Kinder sind inzwischen erwachsen, das macht vieles einfacher. Was aber für alle Politiker gilt, und das kennen auch alle Ehrenamtlichen, nicht nur in unserer Partei: Man braucht einen sehr geduldigen und verständnisvollen Partner. Ich bin sehr viel unterwegs und manchmal nicht einen Abend in der Woche zu Hause. Auch am Wochenende stehen oft Veranstaltungen im Kalender. Oder ich sitze samstags am Schreibtisch, so wie jetzt, weil einfach so viele Dinge noch zu erledigen sind. Das ist für jede Beziehung eine sehr große Belastung und führt natürlich zu Spannungen. Inzwischen habe ich gelernt, eine Grenze zu setzen und mir ganz bewusst auch Zeit für Privates zu nehmen, sonst verliert man sich selber an die Partei und in der Partei. Es ist mir wichtig, mir Zeit für meinen Mann, aber auch für meine Freunde zu nehmen. Das ist nicht immer einfach. Für mich sind aber gerade auch die Menschen wichtig, die nichts mit den PIRATEN zu tun haben. Dort geht es dann um andere Themen und man kommt aus der „Piratenbubble“ raus. Das erdet und hilft mir, nicht alles, was bei „Piratens“ passiert, überzubewerten. Es hilft, sich selber nicht nur als Piratin, als MdL und Politikerin zu sehen. Es gibt auch eine Privatperson Monika Pieper.
Christiane vom Schloß: Du bist bildungspolitische Sprecherin der Fraktion. Welche Missstände im Bildungssystem würdest du am liebsten sofort beseitigen?
Monika Pieper:
Ich würde am liebsten sofort mehr Geld ins Bildungssystem stecken. Damit könnten viele Missstände behoben werden. Die Missstände hier im Einzelnen aufzuzählen, würde wohl den Rahmen sprengen. Aber vielleicht einige Beispiele:
Im Augenblick arbeiten wir intensiv an einer Verbesserung der Situation im Offenen Ganztag. Das Geld reicht nicht aus. Betreuungszeiten werden gekürzt, es gibt nicht ausreichend qualifiziertes Personal. Fragen zum Umgang mit der Inklusion und mit der Betreuung von Flüchtlingskindern werden nicht geklärt. Finanzschwache Kommunen sind nicht in der Lage, ein qualitativ hochwertiges Angebot aufrecht zu erhalten.
Die Probleme der Beschulung von Flüchtlingskindern ist hochaktuell. Auch hier reichen die zur Verfügung stehenden Mittel nicht. Die Rahmenbedingungen bei der schulischen Inklusion sind mangelhaft. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. NRW hat im Bundesdurchschnitt mit die größten Klassen und gibt pro Schüler das wenigste Geld aus.
Christiane vom Schloß: Welche Anträge im Bereich Inklusion hast du augenblicklich in Arbeit?
Monika Pieper:
Wir haben gerade eine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Viele SonderpädagogInnen werden vermehrt als Vertretungskraft eingesetzt und die wichtigen Doppelbesetzungen fallen aus. Auf unsere Anfrage hierzu hat uns die Landesregierung mitgeteilt, dass Doppelbesetzung nicht so wichtig sei, wichtiger sei die gemeinsame Planung des Unterrichts. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle engagierten Kollegen und Kolleginnen. Hier werden wir sicher weiter kritisieren. Zum Sommer soll es eine Evaluation der Kommunen zum Thema Inklusion geben. Darauf sind wir sehr gespannt. Daneben läuft gerade unser Antrag zum offenen Ganztag, der sich auch mit der Frage der Betreuung von Schülern mit Förderbedarf beschäftigt.
Christiane vom Schloß: Unsere Umfragewerte sind in den letzten zwei Jahren ziemlich gesunken.
Haben unsere Landtagsfraktionen mit dem, was sie umsetzen, einfach zu wenig positive Außenwirkung?
Wie können wir dies ändern?
Monika Pieper:
Diese Frage beschäftigt uns ja alle schon seit geraumer Zeit, und ich finde es schwierig, sie kurz zu beantworten. Ein Problem scheint mir, dass ganz viele Piraten zu wissen glauben, wie man das ändern kann. Leider gehen die Meinungen auseinander, was dazu führt, dass jeder den Kahn in eine andere Richtung zieht, was wiederum dazu führt, dass er nicht von der Stelle kommt. Zu diesen Menschen gehöre ich natürlich auch! 😉
Erreichen wir tatsächlich Außenwirkung durch das, was wir hier umsetzen? Ja, daran müssen wir arbeiten, aber hilft uns das so viel, dass es wahlentscheidend ist? Hilft es der FDP, wenn sie es schafft, etwas umzusetzen? Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht an der Umsetzung von Anträgen gemessen werden, sondern an den Themen, die wir besetzen. Die Menschen wählen die „Marke“ PIRATEN. Es ist uns mit der „Graspirinkampagne“ gelungen, dass die Menschen uns mit der Legalisierung von Cannabis namentlich in Verbindung bringen.
Das müssen wir für andere Themen auch in Angriff nehmen. Dabei sollten wir Themen berücksichtigen, die nicht zu abstrakt, sondern für die Menschen greifbar sind. Die Menschen in NRW haben uns nicht gewählt, weil wir so tolle Themen hatten. Die PIRATEN wurden als frisch und cool angesehen. Das war unsere Marke. Daran sollten wir anknüpfen, die Graspirinkampagne war ein Anfang.
Christiane vom Schloß: Würdest du ein zweites Mal als Landtagsabgeordnete der PIRATEN in NRW kandidieren wollen?
Monika Pieper:
Das ist eine etwas gemeine Frage. Es gibt Tage, an denen ich überzeugt bin, auf keinen Fall wieder zu kandidieren, es gibt aber auch die anderen. Dazwischen stehen sehr viele Fragezeichen. Ich habe immer sehr gerne als Lehrerin gearbeitet und manchmal fehlt mir der Kontakt zu den Schülern. Ich frage mich auch, ob und wo ich wirklich etwas erreichen kann? An Tagen, an denen es wieder mal so richtig kracht in der Fraktion, frage ich mich, was ich hier eigentlich tue. Aber meine Vorzimmerdame päppelt mich dann immer wieder auf. 😉 Andererseits macht mir die Arbeit gerade als schulpolitische Sprecherin enorm viel Spaß und ich mache das, glaube ich, auch nicht ganz schlecht. Fragen über Fragen. Ich werde mit Menschen darüber reden und mir sehr viele Gedanken machen müssen.
Christiane vom Schloß: Mit welchen Schwerpunktthemen möchtest du im nächsten Wahlkampf punkten?
Monika Pieper:
Das ist nicht meine Entscheidung, sondern die der Partei und der Fraktion. Es sollten, wie schon erwähnt, Themen sein, mit denen die Menschen was anfangen können. So wichtig Fragen wie das Urheberrecht auch sind, dafür werden wir nicht gewählt. Ich würde prinzipiell nach Piratenthemen schauen, die für jüngere Menschen relevant sind. Aus dem Bildungsbereich fällt mir da spontan die IT-Ausstattung an Schulen ein, wozu wir ja auch schon Anträge hatten. Es gibt einen Themenstrauß, den der LV mit der Fraktion erarbeitet hat. Da gilt es jetzt, die Umsetzung endlich in Angriff zu nehmen und mit guten Kampagnen zu begleiten.
Christiane vom Schloß: Was wünscht du dir von der Basis der Piratenpartei?
Ich wünsche mir, dass mehr Piraten die Fraktion so unterstützen, wie das der AK Bildung NRW bei meiner Arbeit macht. Daneben wünsche ich mir, dass es uns noch besser gelingt, einander wertzuschätzen anstatt immer nur nach Fehlern zu suchen. Das gilt besonders für alle die, die ehrenamtlich in den Kommunen und im Land schuften und die wir alle so gut wie jeder kann, unterstützen sollten.
Monika Pieper:
Christiane vom Schloß: Vielen Dank, Monika, für dieses informative Interview.
Aurorin: Christiane vom Schloß
Seit April 2012 Mitglied der Piratenpartei im Landesverband Schleswig-Holstein
und ab 2013 bei den Sozialpiraten engagiert.
Redakteurin der Flaschenpost seit Juli 2014.
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