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Alle sind für ein Bedingungsloses Grundeinkommen… sie wissen es nur nicht

Ein Gastbeitrag von Tom Odebrecht

Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE), die Idee eines fixen Betrages, der allen Bewohnern eines Landes ohne Gegenleistung monatlich vom Staat überwiesen wird, ist mal wieder in aller Munde. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat im Frühjahr 2016 eine Netzdebatte dazu initiiert und die Pro- wie Contra-Seite zu Wort kommen lassen. In der Schweiz findet im Sommer ein viel beachtetes, wenn auch wohl aussichtsloses, Volksbegehren zum BGE statt. Und in Finnland wird gerade ein Feldversuch vorbereitet.

Warum ist das BGE so relevant? Weil, erstens, viele Jobs heutzutage nicht mehr für ein auskömmliches Einkommen ausreichen und somit gesellschaftliche, politische und kulturelle Teilhabe eingeschränkt oder sogar unmöglich wird. Zweitens wird befürchtet, dass die fortschreitende Digitale Revolution viele Arbeitsplätze verschwinden lässt – viel mehr als sie neue schaffen könnte. Man denke nur an all die Taxi-, Uber- oder Busfahrer, die mit dem Einsatz des autonom fahrenden Autos nicht mehr gebraucht werden.

MIT-Professor Erik Brynjolfsson sagt dazu:

„We’re now beginning to have machines be able to augment and automate our brains and replace mental tasks. Machines can do computations and make decisions […], we believe that the implications will be at least as profound as what the Industrial Revolution did for our muscles.“

Und weiter:

„There will be winners and losers. Already we’re seeing that some kinds of tasks and skills are much less valuable and people with those tasks and skills have seen their wages fall. And so it hasn’t been a rising tide that lifted all boats.“

Man muss anerkennen: Das Streben nach der klassischen Arbeitsgesellschaft mit dem Ziel der Vollbeschäftigung ist für Länder wie Deutschland nicht mehr sinnvoll, weil unerreichbar.

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Wirtschaftswissenschaftlich handelt es sich beim BGE eigentlich um eine Art negative Einkommensteuer. Globalisierung, technischer Fortschritt und Digitalisierung haben Wohlstand geschaffen, aber auch wachsende Ungleichheit – insbesondere die relative Armut stieg. Nicht zuletzt ist es im Sinne der Demokratie dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Das geht sinnvoll nur mit einem sozialpolitischen Paradigmenwechsel.

Die Idee einer negativen Steuer auf das Einkommen ist nicht neu. Schauen wir mal nach Amerika: Neben US-Gründungsvater Thomas Paine im 18. Jahrhundert sprach sich auch schon der dem Libertarismus zugeschriebene Ökonom Milton Friedman für eine „negative income tax“ aus.

Friedman sagte:

„The proposal for a negative income tax is a proposal to help poor people by giving them money, which is what they need. Rather than as now by requiring them to come before a governmental official, detail all their assets and their liabilities and be told that you may spend X dollars on rent, Y dollars on food, etc., and then be given a handout.“

Friedmans Worte lassen sich auf Deutschland gut übertragen: Ähnlich kleinteilig, und mitunter diskriminierend für die Leistungsbezieher, spielen sich die Vorgänge in den deutschen Jobcentern ab.

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Neben der Finanzierungsfrage, die in der Tat äußerst relevant und nicht final geklärt ist, betonen Kritiker des BGE, dass es Anreize zur Arbeit vernichten würde und somit die „gelernte Abhängigkeit“ von Gegenleistung für die staatlichen Transfers mutwillig zerstöre.

Keiner bestreitet, dass es auch negative Mitnahmeeffekte gibt und X von 100 Menschen zu Hause bleiben könnten, um scheinbar nichts zu tun.

Aber bei den Gegenargumenten der Kritiker spielen eher (teils wohlbegründete) Annahmen aus der Bauchgegend eine Rolle als harte Empirie. Das liegt auch daran, dass größere Feldversuche erst anlaufen und frühere Probeläufe unvollständig beendet wurden.

Doch es gibt belastbare Beispiele, wie die kanadische Ökonomin Evelyn Forget zeigt. Sie hat einen bereits vergessenen und aus ideologischen Gründen nie abgeschlossenen Feldversuch in einer kanadischen Kleinstadt namens Dauphin ausgewertet. Forget nutzte öffentliche Gesundheitsdaten von Bewohnern, die zur Zeit der Grundeinkommenszahlungen in Dauphin lebten. Ergebnis: Erwachsene Vollzeitbeschäftigte in Dauphin haben ihre Arbeitsstunden kaum verringert.

Forgets Studie zeigt zudem: Jugendliche gingen länger zur Schule, da sie nicht mit 16 Jahren für einen Beitrag zum Haushaltseinkommen sorgen mussten. Und junge Mütter nutzten das Extra-Staatsgeld, um nach der Geburt ihrer Kinder länger daheim zu bleiben. Alles positive Effekte!

Konservative, Liberale, Sozialdemokraten: Alle wollen ein BGE

Eigentlich müssten die meisten politischen Kräfte in Deutschland (und anderswo) ein BGE wollen: Konservative, Liberale und Sozialdemokraten.

Konservative erfreuen sich eines schlanken Staates, der den traditionell komplizierten Sozialstaat ausdünnt. Liberale könnten endlich im Fahrwasser eines BGE die geliebte „flat tax“ einführen. Und Sozialdemokraten könnten endlich wirksam Armutsbekämpfung betreiben.

Ein weiterer realpolitischer Vorteil: Detailanpassungen am Mindestlohn – traditionell politisch schwer abzustimmen, da die Vorstellungen der Parteien hier weit auseinander liegen – können wegfallen.

Leider alles Theorie. Hierzulande kommt das BGE erst sehr langsam im Politik-Mainstream an. Denn im Gegensatz zu den USA, wo in konservativen Kreisen der „universal basic income“ seit langem ernsthaft diskutiert wird, scheint es in Deutschland gar keine „echten Konservativen“ in der aktiven Politik mehr zu geben (Stichwort „Sozialdemokratisierung der CDU“). Gleichzeitig kommt die SPD von ihrem veralteten Erwerbsarbeitsideal nur sehr langsam los – und geht eher einen Schritt zurück, wenn sie sich, wie zuletzt öfter zu hören war, wieder auf das „Recht auf Arbeit“ (oder „Pflicht zur Arbeit“?) als Grundsatz besinnen will. Beim BGE muss man wohl auf liberale Kräfte, Parteien oder Initiativen hoffen.

Eines ist klar: Die etablierte ökonomische, politische und soziale Struktur ist inkompatibel mit dem Stand der Technologie und den daraus resultierenden gesamtgesellschaftlichen Veränderungen. Die Debatte um das BGE muss ent-ideologisiert werden.

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