„NRW braucht ein Landesluftverkehrskonzept!“ lautete ein Antrag der PIRATEN im Landtag in NRW – gestellt bereits im August 2015. Am Dienstag dieser Woche gab es dazu eine Anhörung im Landtag mit den Flughafenchefs, Luftfahrtverbänden, dem BUND, der Bundesvereinigung gegen Fluglärm und Wissenschaftlern.
Die meisten Experten stimmten zu: Die Landesregierung braucht dringend ein neues Konzept für den Luftverkehr, denn sie hantiert derzeit mit einem Konzept, das auf einer Datenbasis aus den 90ern basiert. Weeze ist da noch ein „voraussichtlich frei werdender Militärflugplatz“ und der Angerlandvergleich bezüglich des Düsseldorfer Flughafens gilt als gekündigt. Damit arbeitet die Landesregierung. Das heißt aber eigentlich, dass sie gar kein Konzept hat, und eigentlich möchte sie auch keines haben. Vor den Folgen daraus warnten die Experten.
Grüne und SPD sind sich offen uneins über die Zukunft der Flughäfen in NRW. Man handelte gemeinsames Schweigen aus und das führte soweit, dass unsere Anhörung mehrfach aus fadenscheinigen Gründen verschoben wurde, u.a. weil ja angeblich in wenigen Wochen das nationale Luftverkehrskonzept käme, was es aber nicht tat. Die Vertreter der Landesregierung sind dabei sogar laut geworden und waren trotzdem im Unrecht mit ihrer Prophezeiung.
Währenddessen konnte der Minister Groschek (SPD) auch ohne Einigung zu Hause beim nationalen Luftverkehrskonzept mitarbeiten, das ganz in die Richtung geht, „Wettbewerbsfähigkeit herzustellen“, also u.a. die Nachtflugverbote aufzuweichen. NRW-Interessen wurden aber nicht gesichtet.
Die Grünen dagegen wollen im Wahlkampf gerne irgendwie gegen Lärm sein und da ist ihnen kurz vor unserer Anhörung nach sieben Jahren Rot-Grün eingefallen, eine Debatte um die Flughäfen anzustoßen. Von einer echten Position NRWs sind wir dennoch Flugmeilen entfernt.
Die Idee von Grünen und einigen CDU-Abgeordneten ist es, von Düsseldorf einige „touristische“ Flüge nach Weeze, Dortmund oder Münster zu verschieben. Aber die Idee, die angeblich alle glücklich macht, geht völlig an der Realität vorbei. Flugverkehr lässt sich nicht auf kleinere Flughäfen in anderen Städten verlagern. Einzelne Superbilligflieger sind da weder Beweis noch Maßstab. Mehr Flughäfen erzeugen im besten Fall nur mehr Flüge und mehr Fluglärm. Im schlechtesten Fall allein mehr Kosten. Dieses Verlagerungsmärchen ist dagegen das entscheidende Argument für noch mehr Subventionen vor Ort. Gefüllt mit Hoffnung, genährt durch die Untätigkeit der Landesregierung, die jede Möglichkeit scheinbar offenhält.
Ein großes Thema in der Anhörung war so auch die meist versteckte Subvention der kleineren Flughäfen in NRW. Über nicht-zurückzuzahlende Kredite und kuriose Zahlungen werden die Regionalflughäfen am Leben erhalten. Die Experten, die nicht gerade die Chefs jener Flughäfen waren, sahen die Zukunft dieser Flughäfen, auch unter Berücksichtigung der Beihilfevorgaben der EU, sehr skeptisch.
Daher gehören alle Subventionen und sonstige Unterstützungen der öffentlichen Hand für die Flughäfen in NRW offen auf den Tisch. Transparenz muss an dieser Stelle unbedingt sein und wir Piraten wollen das auch klar zum Thema im Wahlkampf machen (Parteiprogramm „Leinen Los“).
Und wenn die von der Gesellschaft getragenen direkten und indirekten Kosten zu hoch sind, dann kann so ein Flughafen nicht erhalten werden.
Dann wird auch ein Regionalflughafen geschlossen.
Nordrhein-Westfalen hat die höchste Flughafendichte Deutschlands
Sechs der 20 größten Flughäfen liegen in NRW. Daher kann NRW auch nicht einfach warten, bis Berlin und Bayern etwas festlegen. Nordrhein-Westfalen muss öffentlich Anforderungen formulieren. Es muss als Land offen die Verantwortung für seine Menschen und seine Flughäfen übernehmen. Und das sind sowohl die Anwohner und von Fluglärm und Luftbelastung Betroffenen, als auch die Wirtschaft und die Flughäfen. Es sollte klar sein, dass nicht erst dann diskutiert und politisch bewertet werden kann, wenn es auf Bundesebene ein fertiges Luftverkehrskonzept gibt – oder Grünes Licht für die Kapazitätserweiterung in Düsseldorf.
Natürlich ist die Kapazitätserweiterung des Düsseldorfer Flughafens eine politische Entscheidung. Minister Groschek versteckt hochpolitische Entscheidungen hinter Verwaltungsprozessen. Er verhandelt in Kommissionen ein wenig mit, kann aber nicht offen sagen, welche Position das Land zu seinen Flughäfen hat. Bei einer Fragestunde im Landtag am 11. Mai 2016 – und auch bereits vorher am gleichen Tag in einer aktuellen Stunde – konnte Minister Groschek keine einzige Frage zum Luftverkehr in NRW ordentlich beantworten, fand weder Worte zur Zukunft der Flughäfen, noch zur aktuellen Situation, seiner Politik oder dem Handlungsbedarf in Düsseldorf – Kapazitätsausweitung eingeschlossen – Köln/Bonn oder Weeze. Die Fragestunde glich einem Untersuchungsausschuss und ist derzeit leider weder als Videoaufzeichnung, die kurz vorher abbricht, noch als Protokoll des Landtags einsehbar.
Neben dem Verlagerungsmärchen und dem Märchen, es gäbe keine Subventionen für Regionalflughäfen, gibt es ein Drittes: das des „Beschäftigungsmotors“
Ja, der Flughafen Düsseldorf sorgt zweifellos für Beschäftigung und die Ansiedlung internationaler Firmen direkt im Umkreis. Für Köln/Bonn als Logistikzentrum gilt ähnliches. In geringerem Umfang. Doch für Weeze und die Regionalflughäfen trifft das überhaupt nicht zu. Superbilligflieger haben so gut wie keinen Einfluss auf die Beschäftigung und die wirtschaftlichen Effekte. Internationale Unternehmen siedeln sich nicht direkt am Flughafen Weeze oder Dortmund an. Tun sie nicht. Das kann man natürlich trotzdem jahrzehntelang versprechen.
Beim Besuch entsprechender großer wie kleiner internationaler Unternehmen frage ich oft, ob denn der nahegelegene Flughafen genutzt wird, wenn z.B. Besuch vom Mutterkonzern kommt. Die Antwort ist fast immer „Nein.“ Andere teure Investments im Sinne der Standortpolitik wären also deutlich effektiver.
Kampf jeder gegen Jeden?
Gerade im Luftverkehr, wo es eben keine einheitlichen Standard gibt, sondern jeder Kampf um Umwelt-, Lärm-, Emissions- und Gesundheitsschutz einzeln gefochten wird, ist die politische Verantwortung so wichtig, ist es so wichtig, auch diese „externen Kosten“ zu berücksichtigen.
Wie steht es eigentlich um die politischen Ziele des Klimaschutzplans? – NRW hat sich entschieden, hier voranzugehen, aber konkret wird es nirgendwo. Wir müssen ökologische Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Nachhaltigkeit, vor allem aber gesundheitliche Nachhaltigkeit hoch bewerten.
· Uns ist die Einbindung des Luftverkehrs in ein Gesamtverkehrskonzept wichtig, das auch alle Verkehrsmittel mit einbezieht. Als Teil einer modernen Verkehrswende. Dazu gehört natürlich der Ausbau alternativer Schienen-Verbindungen.
· In dichten Ballungsräumen darf es keine Nachtflüge geben.
· Zur Bewertung von Lärm und Schadstoffen sollen die neusten Erkenntnisse berücksichtigt werden, die dann auch eine standardisierte Bewertung und Vergleichbarkeit garantieren. Und zur Vermeidung von Lärm und Schadstoffen müssen in NRW endlich Werkzeuge eingesetzt werden, die eine spürbare Lenkungswirkung haben. Also zum Beispiel lärm- und zeitabhängige Gebühren in wirksamer Form und Dosis! Wir dürfen nicht das Luxusproblem schönerer Slot-Vergaben über die Gesundheit der Menschen stellen. Wer dabei sagt, dass es Gesetzgeber, Exekutive und öffentlichen Anteilseignern – allen zusammen nicht möglich sein soll, hier lenkend einzugreifen – der kann sich auch gleich ganz zurücklehnen. So wie der Herr Minister und die Landesregierung es gerade auch tun.
Ein eigenes Landesluftverkehrskonzept NRW ist überfällig
Die wichtigen Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn liegen in NRW; Lufthansa, Germanwings und Eurowings haben in NRW ihren Sitz. NRW hat sich auf die Einhaltung der Ziele des Klimaschutzplans verständigt. Dazu kommt der besondere Anspruch an die Flugsicherheit und an den Schutz vor Fluglärm, weil viele dicht besiedelte Ballungsgebiete in NRW liegen. NRW braucht dringend – wie andere Bundesländer auch – ein eigenes Landes-Luftverkehrskonzept, welches die besonderen Anforderungen Nordrhein-Westfalens berücksichtigt.
Mehr Links zum Antrag etc. und weiterführendes: http://www.oliver-bayer.de/nrw-braucht-klare-ansagen-fuer-den-luftverkehr/
Vor dem Hintergrund neuer medizinischer Erkenntnisse (z.B. NORAH, Uni Mainz) ist vor allem geboten, den Fluglärm in der dicht besiedelten Einflugschneise des DUS zu reduzieren. Deutschland hat die Chance bei dem Thema Fluglärm schneller zu sein als mit den Dieselabgasen und sich dadurch in der Luftfahrtindustrie mittelfristig Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Die Frage ist jetzt, ob n NRW auch einmal Impulse in Richtung Innovation geben kann oder weiter seine „alten Schätzchen“ pflegen will.