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Gastbeitrag von Bastian Halbe

Pflichtdienst ist keine Lösung für jahrelange Versäumnisse

Jahrelang mussten Lobbyisten in Berlin ein- und ausgehen, um den ThinkTank Deutschland zu einer Lernfabrik herunterzuwirtschaften.
Der Bologna-Prozess war der Auftakt und die darauf folgende G8-Reform der Abgesang für das Land der Dichter und Denker. Kinder und Jugendliche sollten „Fit for Job“ gemacht werden. Der Freiheitsgedanke in der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen wurde systematisch abgeschafft.

Die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 war keine moralische, sondern vielmehr eine ökonomische Entscheidung. Zu groß war auch hier wieder der Reiz, Menschen früher in den Arbeitsmarkt bringen zu können.

Nun sprechen sich führende Christdemokraten erneut für eine Wehrplicht aus. Es geht ihnen dabei aber nicht nur um die Bundeswehr. Von dem sogenannten „Gesellschaftsjahr“, ein „Pflichtdienst an der Gesellschaft“, verspricht man sich auch Abhilfe im sich immerzu verschärfenden Pflegenotstand.

Zwangsverpflichtete junge Menschen werden aber weder über das politische Versagen in der Aufstellung der Bundeswehr hinwegtäuschen, noch den Personalmangel in der Pflege langfristig beseitigen.

Diese Neuauflage des Zivildienstes soll kitten, was man in der freien Marktwirtschaft wohl als Insolvenzverschleppung bezeichnen würde. Anstatt Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern, Arbeitsbedingungen und Bezahlung zu verbessern, werden uns temporäre Billiglöhner als Allheilmittel für eines der wohl größten Probleme unserer Zeit verkauft.
Statt das Freiwillige Soziale Jahr attraktiver zu gestalten, soll eine Dienstpflicht Löcher stopfen.

Das „Gesellschaftsjahr“ ist der Inbegriff der „Anti-Freiheit“.

Blendet man den Faktor Moral bei der Wehrpflicht aus und lässt sich auf die These ein, dass „ehrenamtliche Pflegekräfte immer noch besser sind als gar keine“- dann bleibt dennoch die Tatsache, dass ein Staat sich das Recht herausnimmt, seine Bürger zu bevormunden. Durch das Gesellschaftsjahr nimmt er jungen Menschen in der für die berufliche Entwicklung vielleicht wichtigsten Zeit die Entscheidungsfreiheit über ihr Tun.
Gerade zu einem Zeitpunkt, an dem das in einer Ausbildung oder einem Studium angelernte Wissen umgesetzt werden will, ist der derzeit diskutierte Pflichtdienst mehr Sackgasse als Startrampe.

7 Kommentare zu “Pflichtdienst ist keine Lösung für jahrelange Versäumnisse

  1. Sandra Leurs

    Mit diesem Pflichtjahr für junge Leute wird in der Pflege nichts gewonnen ausser immer mehr Entprofessionalisierung in dieser Berufssparte. Entprofessinalisierung wird zu einer höheren Sterblichkeitsrate führen. Die weiteren Folgen möchte ich mir nicht ausmalen.

  2. Tja, besser kann man es nicht formulieren. Alle Gegenargumente auf einen Blick drin. Danke! <3

    PS: Wir haben nicht nur Pflegenotstand, sondern auch Therapeutennotstand und auch das nicht erst seit gestern. Es wird zwar derzeit getitelt "drohender Therapienotstand", dieser ist aber bereits eingetreten. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt, Berufsfachschulen müssen schließen, weil nicht genügend Azubis aufzutreiben sind. Es laufen diverse politische Aktionen seit diesem Sommer. Der Verein Therapeuten Sind Wichtig versteht sich hier als politischer Vertreter für alle Heilmittelerbringer, weil die Berufsverbände bislang leider nicht das erreicht haben, was sie hätten erreichen sollen – nämlich die Probleme von unten nach oben zu kommunizieren.

    Bereits in der Sendung, in der der junge Pfleger Angela Merkel zur Brust nahm, sprach auch eine Physiotherapeutin für uns Heilmittelerbringer. Dies wurde nur nie publik (warum wohl?). Dr. Roy Kühne (CDU), selbst examinierter Physiotherapeut, fordert ein Sofortprogramm. Damit solltet ihr euch auch mal befassen.
    Vereinfacht: Ausbildungsvergütung statt Schulgeld und eine Angleichung der Löhne zum TVÖD, um die Abwanderung in Kliniken/Einrichtungen aus den ländlichen Praxen zu verhindern. Über 60% der Therapeuten denkt darüber nach, entweder die Branche zu wechseln oder ins Ausland zu gehen, wo wir eindeutig besser bezahlt werden. Immer mehr denken nicht nur, sondern handeln.

    Wie gesagt, der Zivi kann aufgrund seiner schlechten Qualifizierung keine Fachkräfte ersetzen. Und die müssen wir selber ausbilden und vor allem mit entsprechenden Bedingungen dafür begeistern.

  3. umlopogas

    Es hat früher funktioniert warum soll es nicht auch jetzt funktionieren, ich wäre aber dafür nicht nur 1 Pflichtjahr zu machen sondern 2 eins beim Bund damit man das mal gesehen hat, und das zweite in der Pflege, gefolgt von einem 3ten jahr das man nehmen kann wofür einem das Herz steht…. Aber man sollte auch bedenken 1 jahr reicht nicht, beim Bund hat man dann gerade mal die Grundreglen gelernt, in der Sozialhilfe ist das nicht besser… um die Welt besser zu verstehen muss man auch mal die Facetten aus verschiedenen Blickwinkeln sehen.. und nicht nur im TV davon gehört haben…

    • Genau! Drei Jahre junges Leben verschwenden, statt die Menschen das machen lassen, was sie wirklich wollen und KÖNNEN… Hauptsache sie können Betten schieben und schießen. m(

  4. Mario Filakovic

    Ich denke über das Thema anders, bin voll für ein soziales Jahr für alle Geschlechter bis ca. zum 25 Lebensjahr , am besten gleich nach der Schule einbinden ! Die das soziale Jahr nicht machen wollen, haben die Möglichkeit in der BW ihren Dienst abzuleisten.
    Ich sehe das auch anders betreffend Pflege.- Pflegepersonal, dieses hat definitv nur Vorteile, die jetzigen Fachpersonen werden extrem entlastet und können endlich ihrer Kernaufgaben widmen, da sie jetzt überhaupt gar keine Zeit mehr haben sich für jeden Personen, Patienten etc. die notwendigen zeitlich zu kümmern. Momentan hat es nicht nur kurzfristig, sondern dieses hat auch längerfristig sehr gute Vorteile , viele lernen die Berufe des Gesundheitswesen kennen, sehen die notwendigen Bedürfnisse und Aufgaben, die einem selber jederzeit als Patient oder später Rentner wiederfahren können , außerdem könnte man so die notwendigen Nachwuchspersonal mit entsprechenden Anreize für diese tollen, notwendige Berufe gewinnen.
    Außerdem hat bis Dato keinen geschadet sich sozial zu engagieren und lieber Michele, da wird als Hilfspflegepersonal nicht nur die Betten hin und hergeschubst!!!

  5. Und genau da liegt das Problem. Wenn „Hilfspflegepersonal“ mehr als Betten schubst, ist es falsch eingesetzt. Ungelernte in der Pflege einzusetzen, um damit die Lücken zu stopfen die fehlende gelernte reißen, ist der gleiche Gedankengang, dass man Kassiererinnen ja einfach zu Erzieherin machen könnte.

    Das ist ein verdammter hochqualifizierter Ausbildungsberuf, für den auch nicht unbedingt jeder geeignet ist. Damit sich Pflegekräfte auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, müssten Sie zusätzlich durchschnittlich alle 12 Monate einer völlig ungelernten aus der Schule kommenden Personen die Mindestkenntnisse beibringen. Das ist keine Minder-, sondern eine Mehrbelastung.

    Aber wahrscheinlich reden wir von unterschiedlicher Pflege. Ich denke in der Kategorie von Notaufnahmen und Intensivstation, der Pflege von Schwerbehinderten und dementen bettlägerigen Personen. Waschen, füttern, Applikationen.

    Andere denken an Aufgaben wie Betten und Essenswagen schieben, Botengänge, Mensch ärgere dich nicht spielen. Ich habe meinen Zivildienst im Krankenhaus gemacht. Gespielt wurde da mit niemandem…

    Vom FSJ im Kindergarten, bei Streetworkern, in der Entwicklungshilfe,… Will ich gar nicht reden. Das Freiwillige Soziale Jahr sollte genau das sein. Freiwillig.

    • Mario Filakovic

      Nein, was ist den das für eine Aussage Michele. Als Krankenpflegehelfer/in macht man natürlich mehr als nur „Betten schieben“ !! Ich habe selber in einer 3 monatigen Ausbildung mich zum Krankenpflegerhelfer (normale Ausbildungsjahr 1 Jahr) in Kiel ausbilden lassen (Bundeswehr – Zivilkrankenhaus) einiges mehr als nur Betten schubsen od. ähnliches gemacht:
      – Subkutanspritzen, Infusion gewechselt (meistens Kochsalzlösungen), Blutdruck.-Fieber messen, Krankentransporte, Patienten waschen, Betten machen, Wäsche wechseln ..etc. man ist die rechte der Krankenschwester und des Krankenpfleger/in und entlasset diesen sehr bei deren täglichen Arbeiten, dieser sollte natürlich wissen in weit er den denjenigen „Hilfspflegepersonal“ richtig einsetzen kann.
      Die Ausbildung erfolgte in einer separaten Ausbildungsgruppe, ohne das Pflegepersonal,- Krankenschwester zusätzlich zu belasten. Meine Erfahrung, in meiner Ausbildung hat mich diesen Berufsstand dementsprechend in einen ganz anderen Bild und denke dieser Berufsstand könnte durch diesen Maßnahmen die notwendige Anerkennung erhalten.
      -> somit könnten ggf. mehr hochqualifiziertes Personal für Notaufnahmen, Intensivstation eingesetzt werden
      -> Anreiz für eine Ausbildung zum Krankenpfleger/in oder Krankenschwester
      Wir sollten generell die Arbeitsbedingungen und den Verdienst verbessern…

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