Wenn man nach den Zielen und Werten der Europäischen Union sucht, findet man gleich an erster Stelle: „Förderung des Friedens, der europäischen Werte und des Wohlergehens ihrer Bürgerinnen und Bürger“.
Was die Menschen in Europa unter diesen europäischen Werten verstehen, sind Umfragen zufolge Menschenrechte, Frieden und der Respekt gegenüber menschlichem Leben.
Ein ganz anderes Europa beschwört Thomas Mayer in seiner FAZ Kolumne. Mit ein paar groben Schätzungen zur Entwicklung von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungswachstum versucht er zu legitimieren, was nicht zu legitimieren ist: „die Festung Europa“. Eine solche Sicht ist nur aus den höchsten Räumen des Elfenbeinturms möglich.
Nun ist Herr Mayer Ökonom und als solcher versucht, eine möglichst einfache Abbildung der Realität zu erstellen, um anhand dieses Modells dann Entscheidungen treffen zu können.
So kommt er zu dem Schluss, dass Menschen aus Staaten, die pro Kopf unter 7.500 $ Bruttoinlandsprodukt im Jahr haben, potenziell in Staaten auswandern, die über 7.500 $ BIP pro Jahr zur Verfügung haben. Ein solch mechanisches Weltbild mag sogar einige statistische Korrelationen aufzeigen können. Es deckt sich aber nicht mit den tatsächlichen Zahlen derer, die als Schutzsuchende in der Europäischen Union ankommen. Insbesondere, wenn wir uns die Zahlen auf einem globalen Level anschauen, zeigt sich ein interessantes Muster.
Laut UNHCR machen sich Menschen nicht einfach auf den Weg, weil ihnen das BIP nicht hoch genug ist. Ein Großteil der Menschen ist auf der Flucht vor Krieg und Unterdrückung. Also eben nicht aus rein wirtschaftlichen Gründen, wie Herr Mayer gerne implizieren möchte. So kommen nach Zahlen des UNHCR 55% der Geflüchteten weltweit aus nur drei Ländern: Syrien, Afghanistan und dem Südsudan. Das spiegelt sich selbstverständlich auch in den Zahlen der Asylanträge in Deutschland wider, wo die Antragsteller vorrangig aus Syrien, Afghanistan und dem Irak kommen.
Da Herr Mayer explizit auch die Staaten in der Subsahara hervorgehoben hat, möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass inzwischen sogar die Bundesregierung anerkannt hat, dass Asylsuchende, die aus Nigeria oder dem Sudan fliehen, eben nicht nur aus ökonomischen Gründen durch die größte Wüste der Welt reisen, um dann in einem Gummiboot über das Mittelmeer zu fahren.
Der Konflikt zwischen Christentum, Islam und der islamistischen Terrormiliz Boko Haram in Nigeria und den umliegenden Staaten ist dafür nur ein Beispiel von vielen. An dieser Situation wird sich auch nichts ändern, wenn wir die Mauern um Europa noch ein wenig höher ziehen. Hier braucht es ein Europa als zuverlässigen Partner, ein Europa, dass sich direkt vor Ort engagiert und hilft.
Für Nordafrika und den Nahen Osten sieht Thomas Mayer eine optimistische Wachstumsprognose. Das verkennt leider wieder vollkommen die politische Dimension dieses Handelns. Durch die verstärkte Kooperation und auch finanzielle Unterstützung islamischer und islamistischer Diktaturen im Nahen Osten und in Nordafrika heizen wir das Problem weiter an. Wir müssen nur die Augen öffnen und uns anschauen, wie unsere willigen Helfer in Nordafrika mit den Schutzsuchenden umgehen. Oxfam berichtet über Folter, Vergewaltigung und Zwangsarbeit. Falls uns wirklich etwas an den so oft beschworenen europäischen Werten liegt, darf eine Kooperation mit solchen Regimen keine Option sein.
Zuletzt die wirtschaftliche Einschätzung des Potentials Afrikas. Seiner Theorie folgend sieht Mayer aufgrund des Bevölkerungswachstums keine Chancen auf ein Wachstum des BIP sowie die steigende Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen. Andere Akteure auf der Weltbühne teilen diese Einschätzung nicht. China investiert Milliarden in die Infrastruktur Afrikas über seine „China Road and Bridge Corporation“. Denn China hat verstanden, dass das Wachstum, welches Mayer so sehr fürchtet, ein unglaubliches Potential für die Wirtschaft birgt. Wer jetzt in Afrika vor Ort die nötige Infrastruktur aufbaut, um seine Produkte auf den Markt zu bringen, wird das nächste Jahrhundert dominieren. Leider ist diese Realität noch nicht bei Herrn Mayer angekommen.
Da es sich bei China nicht um eine Demokratie, sondern um eine kommunistische Diktatur handelt und bei den Afrikanern eben nicht nur um potentielle Wohlstandsmigranten und Gefahren für die politische Stabilität, besteht noch Hoffnung. Wenn Europa sich jetzt überwindet und den Staaten Afrikas ein besseres Angebot macht als China, würde das sicher nicht auf taube Ohren stoßen, denn die chinesischen Staatsunternehmen beschäftigen kaum Einheimische und die Staaten werden immer öfter in der Kreditfalle Chinas gefangen.
Darum muss ein europäisches Angebot an Afrika eben gerade auf Grundlage dieser europäischen Werte, auf die wir uns so gerne berufen, erfolgen.
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