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Und täglich grüßt der Staatstrojaner

Innere Sicherheit vs. innere Sicherheit

Mitte Mai fand im Innenausschuss des Bundestages die Anhörung zum geplanten Gesetz zur Anpassung des Verfassungsschutzgesetzes statt. Die Bundesregierung will, initiiert durch das Innenministerium und Innenminister Horst Seehofer, die Befugnisse für den Verfassungsschutz ausweiten und eine Quellen-Telekommunikations-Überwachung (Quellen-TKÜ), sogenannte Staatstrojaner, einführen. Selbst die von den Regierungsparteien geladenen Sachverständigen erklärten übereinstimmend, dass sie sowohl sicherheitstechnische als auch verfassungsrechtliche Bedenken haben.

In seltener Allianz wenden sich nun unter anderen auch der Chaos Computer Club, Facebook und Google mit einem offenen Brief an die Bundesregierung, denn sie sind „sehr besorgt über die massive Ausweitung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) in der ‚Anpassung des Verfassungsschutzrechts‘ und insbesondere der Reform des ‚Artikel 10-Gesetzes‘, welche Anbieter von Kommunikationsdiensten dazu zwingen könnte, die Sicherheit und Integrität ihrer eigenen Dienste einzuschränken, um Nachrichtendiensten bei der Spionage zu unterstützen.“

Es steht zu befürchten, dass die große Koalition trotzdem an ihrem Vorhaben festhält und das Gesetz in den verbleibenden beiden Sitzungswochen im Juni verabschiedet.

Hélder Aguiar, politischer Geschäftsführer der PIRATEN NRW kommentiert:

„Statt Sicherheitslücken zu schließen, möchte der Staat diese ausnutzen, um unsere Kommunikation zu überwachen und fordert sogar eine Mitarbeit der Telekommunikationsunternehmen ein. Diese bewusst offen gehaltenen Einfallstore sind eine Gefahr für Einzelpersonen, aber auch für die Infrastruktur von Krankenhäusern und Energieerzeugern. Wir wissen, wie schnell zum Beispiel antifaschistische Organisationen und Bündnisse unter Generalverdacht gestellt werden. Die Landesregierung zeigt es gerade wieder deutlich mit dem Vorhaben, ein neues Versammlungsgesetz zu installieren.
Mit dem Staatstrojaner wird erneut der Versuch unternommen, den Verfassungsschutz mit Rechten der polizeilichen Behörden auszustatten. Das ist nicht nur absolut inakzeptabel, sondern auch verfassungswidrig!“

Was ist eine Quellen-Telekommunikations-Überwachung?

Im besten Fall, wenn wir auf die Sicherheit unserer Kommunikation achten, kommunizieren wir verschlüsselt. Es gibt verschiedene Methoden zur Verschlüsselung, die von Mail-Programmen angeboten werden, und auch per Messenger ist verschlüsselte Kommunikation möglich. Durch Verschlüsseln wird ein „Klartext“, also ein lesbarer Text, in einen „Geheimtext“, also in eine unverständliche Zeichenfolge umgewandelt.
Da eine verschlüsselte Kommunikation im Messenger oder per Mail nicht einfach entschlüsselt und mitgelesen werden kann, bestehen Begehrlichkeiten seitens des Verfassungsschutzes, über eine Software direkt auf dem Endgerät den Klartext der Telekommunikation mitzulesen. Diese Software bezeichnet man als Staatstrojaner. Der Staat liest also mit.
Wir PIRATEN lehnen den Einsatz von Staatstrojanern ab, da sie nicht nur unverhältnismäßig in die Grundrechte eingreifen, sondern auch eine Gefahr für die IT-Sicherheit darstellen. Auch setzen wir uns langfristig für die Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz ein. Bis dahin fordern wir Reformen, die geeignet sind, die Kontrolle über den bestehenden Dienst zu verbessern, unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe des Amtes zu unterbinden.

Warum es uns alle angeht

Nordrhein-Westfalen ist ein Land mit einer progressiv und zivilgesellschaftlich stark engagierten Bevölkerung, von der Fridays-for-Future-Bewegung über Ende Gelände hin zu etlichen Bündnissen gegen Rechts. Viele engagierte Menschen setzen sich für die Verbesserung der Gesellschaft und auch einer damit einhergehenden Veränderung des staatlichen Aufbaus oder Grundgesetzes ein. Neben den drei Geheimdiensten des Bundes sollen auch die 16 Landesämter für Verfassungsschutz, die auch schon mal gerne Klimaaktivist:innen oder Antifaschist:innen überwachen, den Staatstrojaner bekommen. Vor allem die im Gesetztentwurf neu erfundene Kategorie „Delegitimierung des Staates“ bietet Spielraum genug, zivilgesellschaftliche Bündnisse, aber auch Einzelpersonen wie Jounalist:innen oder Politikwissenschaftler:innen, zum Beobachtungsgegenstand zu machen. Ein Staatstrojaner ist schneller auf unserem Smartphone installiert, als man denkt und schon liest der Staat unsere Nachrichten mit.

Der Protest gegen die geplanten Staatstrojaner und den weiteren Ausbau der Rechte des Verfassungsschutzes muss lauter werden!

Für die Zulassung zur Bundestagswahl benötigen wir Unterstützung: https://www.piratenpartei-nrw.de/bundestagswahl-2021/unterstuetzungsunterschriften/